Insolvenzrecht:Firma pleite, Fiskus glücklich

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Justizminister Maas will die Insolvenzordnung ändern - zugunsten der Staatskasse, kritisieren Gewerkschafter und Anwälte. Eine Firma habe so schlechtere Chancen auf Sanierung.

Von Kristiana Ludwig, München

Wenn einem Unternehmen das Geld ausgeht, passiert das selten über Nacht. Oft sind es die Lieferanten, die plötzlich sehr lange auf ihre Bezahlung warten müssen - und dann nur Raten bekommen. Bald fehlen bei den Krankenkassen die Beiträge für die Angestellten oder das Finanzamt wartet vergeblich auf seine Steuern. Zahlt die Firma schließlich doch einen Teil, kann es schon zu spät sein: Denn Insolvenzverwalter können sich das Geld zurückholen, wenn die Firma pleitegeht. Schließlich hätten die Gläubiger ja merken können, dass bei dem Unternehmer etwas nicht stimmt.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat kürzlich einen Regierungsentwurf vorgelegt, der solche Unsicherheiten beseitigen soll. Denn diese sogenannten Anfechtungen der Insolvenzverwalter belasteten "den Wirtschaftsverkehr sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", sagte er. Die Gläubiger sollten lieber frühzeitig einen Insolvenzantrag stellen, um ein ordentliches Verfahren in Gang zu setzen. Doch Gewerkschaften und Insolvenzverwalter sehen in dem Entwurf von Maas weniger eine gute Tat für kleine Lieferanten und Arbeiter, als ein Selbstbedienungsprogramm für die Staatskasse. Denn künftig werden vor allem der Fiskus und die Sozialversicherungsträger die Summen, die sie durch Zwangsvollstreckungen von kriselnden Unternehmen bekommen haben, bei späteren Pleiten behalten dürfen. Nämlich immer dann, wenn ihnen niemand nachweisen kann, dass sie von der drohenden Insolvenz wussten. Bisher war das anders. Die Zwangsvollstreckung selbst galt schon als deutliches Zeichen für eine wirtschaftliche Schieflage. Eine Änderung hat Folgen: Geld, das der Staat behält, wird künftig fehlen, wenn das übrig gebliebene Vermögen im Insolvenzverfahren gerecht verteilt wird - unter den privaten Gläubigern aber auch unter den Arbeitnehmern, die ihre Jobs verlieren.

Eine "Privilegierung" des Staates "hätte eine erhebliche Verringerung der Insolvenzmasse zur Folge", sagt Ralf-Peter Hayen aus der Rechtsabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. So würden die Chancen auf eine Sanierung des Unternehmens beeinträchtigt und damit auch auf "den Erhalt von Arbeitsplätzen und einen hinreichend dotierten Sozialplan". Die Mittel, die für Abfindungen und Fortbildungen der Arbeitnehmer gebraucht würden, seien beim offiziellen Beginn des Insolvenzverfahrens längst weg. Denn staatliche Gläubiger können im Gegensatz zu Arbeitnehmern selbst die Zwangsvollstreckungen anweisen - und so ohne einen Umweg über die Gerichte auf das Geld der Firma zugreifen solange es noch da ist.

Auch der Insolvenzverwalter Biner Bähr, der Gläubiger in Großverfahren wie Hertie oder Teldafax vertreten hat, kritisiert die Neuregelung: "Im Kern des Gesetzesvorhabens geht es darum, das Anfechtungsrecht zu Lasten aller Gläubiger - außer dem Staat und den Sozialversicherungsträgern - einzuschränken", sagt er. Das Bundesjustizministerium sieht das anders. "Die Regelung dürfte die behaupteten Auswirkungen auf die Eröffnungsquoten nicht haben", sagt ein Sprecher. Den Vorwurf, den staatlichen Rückzahlungen entgehen zu wollen, weist er zurück. "Es ist vielmehr das Gegenteil zu erwarten", sagt er: Dass die öffentlichen Kassen "in der Regel" das Geld herausrücken müssten: Finanzamt und Sozialkassen gehörten schließlich meist zu den Gläubigern, "die gut über den Grad der Liquidität des Schuldners informiert sind". Fraglich wird sein, ob sie das auch zugeben.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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