Insolvenz der Peregrine Financial Group:Im Namen des Wanderfalken

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200 Millionen Dollar verschwunden und ein versuchter Selbstmord - eine neue, mysteriöse Pleite in der US-Finanzwelt erschüttert den amerikanischen Derivate-Handel.

Nikolaus Piper, New York

Neun Monate nach dem spektakulären Zusammenbruch der Finanzfirma MF Global erschüttert ein neuer Bankrott mit möglicherweise betrügerischem Hintergrund den amerikanischen Derivate-Handel. Die über zwanzig Jahre alte und bis dahin hoch angesehene Peregrine Financial Group (PFG) aus der Provinzstadt Cedar Falls in Iowa beantragte am Montag Insolvenz nach Kapitel sieben des amerikanischen Konkursrechts.

Hauptsitz der PFGBest in Chicago. (Foto: REUTERS)

Zuvor hatte der Gründer und Chef von PFG, Russell Wasendorf Senior, versucht, sich in seinem Auto das Leben zu nehmen. Die zuständige Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission, CFTC, wirft Wasendorf vor, Kunden betrogen, deren Geld missbraucht und mit eigenen Mitteln vermischt zu haben. Außerdem habe er die Behörden belogen. Die CFTC reichte noch am Dienstag Klage bei einem Bundesgericht in Chicago ein.

Ähnlich wie MF Global handelte Peregrine mit Futures und anderen komplexen Finanzprodukten auf Devisen- und Rohstoffmärkten. Der Zusammenbruch von PFG hat zwar nicht die gleiche Dimension - MF Global war mit verschwundenen 1,6 Milliarden Dollar die achtgrößte Pleite der US-Finanzgeschichte. Bei der Peregrine Group, die unter dem Namen PFGBest handelte, fehlen dagegen "nur" gut 200 Millionen Dollar. Dafür ist bei PFG mehr als die Hälfte aller Kunden betroffen. Die Pleite schädigt besonders Anleger im ländlichen Iowa, die PFG als unabhängiger Firma vertraut hatten.

Nach Angaben der CFTC behauptete PFG bis vor kurzem, überschüssige Kundenmittel von 220 Millionen Dollar auf Bankkonten zu halten. Tatsächlich seien es jedoch nur 5,1 Millionen Dollar gewesen. Was mit dem übrigen Geld geschehen ist, wissen die Behörden bisher nicht. Die CFTC vermutet, dass der Missbrauch bereits im Februar 2010 begonnen hat. Bis auf weiteres sind alle Kundenkonten bei Peregrine gesperrt.

Nach Darstellung der Polizei in Cedar Falls fanden Mitarbeiter Russell Wasendorf am Montagmorgen um acht Uhr in seinem Chevrolet auf einem Parkplatz vor dem Firmensitz. Ein Schlauch führte vom Auspuff ins Wageninnere. Wasendorf wurde mit schweren Vergiftungen ins Krankenhaus eingeliefert und lag am Dienstag noch im Koma. Der Sohn des Firmengründers und Chef des operativen Geschäfts bei PFG, Russell Wasendorf Junior, teilte den gut 200 Mitarbeitern mit, sein Vater habe eine Notiz hinterlassen, in der er ein "Verbrechen" einräumt. Bemerkenswert ist, dass die Firma von vorneherein Insolvenz nach Kapitel sieben beantragt hat. Im Gegensatz zum gebräuchlicheren Kapitel elf geht es bei Kapitel sieben nur noch um die Liquidation und nicht mehr um die Rettung des betreffenden Unternehmens.

Bisher gibt es keine Hinweise darauf, warum Wasendorf das Geld der Kunden veruntreut haben könnte. Bei MF Global war es seinerzeit darum gegangen, Spekulationsverluste zu vertuschen und auszugleichen. Indizien für ähnliche Motive gibt es bei Peregrine nicht. Allerdings setzen die derzeit historisch niedrigen Zinsen viele Finanzfirmen unter Druck, weil sie Schwierigkeiten haben, die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen.

Für Kunden und Händler an der Rohstoffbörse von Chicago war der Zusammenbruch ein Schock. Russell Wasendorf, 64, war sowohl in Iowa, als auch in Chicago eine feste Größe im gesellschaftlichen Leben. Der Name seiner Firma (Peregrine bedeutet Wanderfalke) deutet auf ein Hobby des Chefs hin: Falkenjagd. Wasendorf spendete großzügig für gemeinnützige Aufgaben wie den Kampf gegen Kinderkrankheiten und die Rettung seltener Raubvögel. Er schrieb mehrere Bücher über den Handel mit Derivaten und betrieb Restaurants. Seine neueste Gründung, das MyVerona in Cedar Falls, hat seit Montag geschlossen. Für Aufsehen sorgte Wasendorf 2009, als er seine Firma aus Chicago in einen 18 Millionen Dollar teuren Neubau in seiner Heimatstadt Cedar Falls verlagerte.

Der Fall Peregrine ist auch ein Rückschlag für die Derivate-Branche insgesamt. Das Vertrauen der Anleger in die Finanzfirmen ist seit dem Zusammenbruch von MF Global ohnehin schon schwer beschädigt. Jetzt stellt sich heraus, dass es bei PFGBest schon seit zweieinhalb Jahren Unregelmäßigkeiten gab, die niemandem auffielen. Das trifft besonders die National Futures Association (NFA), eine Selbstregulierungsinstanz der Branche.

Die Probleme wurden erst entdeckt, als die Aufsichtsbehörde CFTC damit begann, die Konten der Finanzfirmen elektronisch auszuwerten. Peregrine liefert damit weitere Argumente für eine strengere Aufsicht des Gewerbes durch die Regierung in Washington.

© SZ vom 12.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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