Innovationsausgaben:Zögerliche Deutsche

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Erstmals seit fünf Jahren investieren Unternehmen weltweit wieder mehr in Forschung und Entwicklung (F&E). Im internationalen Vergleich hinken deutsche Konzerne allerdings deutlich hinterher.

Marc Beise

Mit der guten Konjunktur wächst weltweit die Bereitschaft der Großunternehmen, in Forschung und Entwicklung (F&E) zu investieren. Die Konzerne melden erstmals seit fünf Jahren wieder Wachstumsraten, die über dem Wachstum des Umsatzes liegen. Dies ergibt die neue "Global Innovation 1000"-Studie der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton, die an diesem Dienstag weltweit veröffentlicht wird und der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Jährlich analysiert die Unternehmensberatung das Innovationsverhalten der weltweit 1000 Unternehmen mit den höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Danach stiegen im Jahr 2006 die F&E-Ausgaben der untersuchten Unternehmen auf den Rekordwert von 447 Milliarden Dollar, umgerechnet also fast 315 Milliarden Euro. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die Gesamtsumme der weltweiten F&E-Ausgaben 2006 wird auf 879 Milliarden Dollar (618 Milliarden Euro) geschätzt.

"Deutschland auf der Bremse"

Auffällig ist, dass die deutsche Industrie bei ihren F&E-Ausgaben lediglich um 4,3 Prozent zugelegt hat. "Deutschland steht damit im internationalen Vergleich beim Thema Innovation eher auf der Bremse als auf dem Gaspedal", kommentierte Thomas Goldbrunner, Mitglied der Geschäftsleitung bei Booz Allen Hamilton, im Gespräch mit der SZ. Zudem ist seit 2003 auch das Verhältnis von F&E-Ausgaben zum Umsatz kontinuierlich gesunken - von 4,8 auf 4,1 Prozent. Zum Vergleich: US-Firmen haben im selben Zeitraum das Verhältnis der F&E-Ausgaben zum Umsatz nur von 5,1 auf 4,9 Prozent gesenkt.

Das weltweite Ranking führt nun der japanische Autobauer Toyota an, gefolgt vom Pharmaunternehmen Pfizer und dem letztjährigen Spitzenreiter Ford. Toyota hat sich damit in den vergangenen Jahren Stück für Stück nach vorne und nunmehr an die Spitze gearbeitet. Unter den Top 10 nehmen mit DaimlerChrysler (5, Vorjahr 4) und Siemens (9, Vorjahr 6) zwar zwei deutsche Unternehmen vordere Plätze ein - beide Unternehmen haben allerdings ihre F&E-Ausgaben gegen den Trend um 5,6 beziehungsweise 2,5 Prozent gesenkt (wobei die Studie Käufe oder Verkäufe von Konzernbereichen nicht gesondert erfasst).

Insgesamt kommen noch immer 95 Prozent der weltweiten F&E-Ausgaben aus den etablierten Industrieregionen Nordamerika, Europa und Japan. "In den boomenden Schwellenländern sehen wir bei den F&E-Ausgaben zwar deutlich höhere Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent. Chinesische und indische Unternehmen investieren im Schnitt aber nur 0,8 Prozent ihres Umsatzes in F&E. Das ist gerade mal ein Fünftel des weltweiten Durchschnitts", so Goldbrunner.

Verständnis für Kundenbedürfnisse nötig

Der Unternehmensberater warnt vor einer isolierten Betrachtung der absoluten Zahlen. Höhere Ausgaben allein seien "bei weitem kein Garant für den Unternehmenserfolg". Es komme vielmehr darauf an, den gesamten Innovationsprozess im Blick zu haben - von der Ideenfindung über die Entwicklung bis zur Vermarktung des fertigen Produkts. Besonders erfolgreich sind nach der Studie diejenigen Konzerne, die zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie haben ein klares Innovationskonzept und überprüfen Projektfortschritte konsequent und regelmäßig. Zentrales Erfolgskriterium sei das Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden.

"Unternehmen, die ihre Kunden direkt in den Innovationsprozess einbeziehen, zeigen eine doppelt so hohe Gesamtkapitalrendite", sagt Goldbrunner. "Das Wachstum des operativen Ergebnisses ist sogar dreimal so hoch wie bei Unternehmen, die einen indirekten Zugang wählen." Zudem erzielen Unternehmen, die ihre Innovationsstrategie direkt aus der Unternehmensstrategie ableiten, in den letzten drei Jahren ein um 40 Prozent stärkeres Wachstum des Betriebsergebnisses und eine doppelt so hohe Eigenkapitalrendite wie Unternehmen mit schwacher Kopplung beider Bereiche.

Paradeunternehmen für einen solchen gesamtheitlichen Ansatz ist für Booz Allen Hamilton in Deutschland der Sportartikelhersteller Adidas. Zwar weise das Unternehmen im Branchenvergleich niedrigere F&E-Ausgaben auf als Wettbewerber, übertreffe diese aber nicht nur bei Umsatz und Gewinnwachstum, sondern auch bei der Kursentwicklung. Weitere prominente Innovationsmotoren sind laut der Studie Hilti, Ebay oder Black & Decker. Der iPod-Produzent Apple sei ein Beispiel für eine gelungene Neuausrichtung im Innovationsmanagement.

© SZ vom 16.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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