Innovationen:Die Kraft der Ideen

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Verbrennungsmotor, Computer - und jetzt das Solarthermie-Projekt: Große Ideen werden in Deutschland geboren, doch häufig ensteht daraus zu wenig.

Alexandra Borchardt

Es ist bislang kaum mehr als eine Idee, aber viele Menschen mag sie in dieser Woche elektrisiert haben: Deutsche Konzerne wollen sich verbünden, um die Sonne über Afrikas Wüste in großem Stil zur Energieversorgung Europas zu nutzen. Noch stehen den Plänen gewaltige Hindernisse entgegen, die weniger technischer als vielmehr politischer und finanzieller Natur sind. Doch die Idee hat Kraft. Es gilt, diese Kraft zu entfalten.

Deutsche Konzerne wollen mit einem gigantischen Solarprojekt Strom in Afrika produzieren - nur ein Beispiel für die deutsche Innovationskraft. (Foto: Foto: dpa)

Das Projekt - geboren in der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren - hat deshalb so viele aufhorchen lassen, weil in den vergangenen Wochen manch einer müde geworden war vom ständigen Blick auf die Schauplätze des gegenwärtigen Desasters. Wie retten wir Opel? Wie überleben Karstadt und Quelle? Wer ist schuld an der Misere? Und wie werden die Schuldigen bestraft? Das prägt die öffentliche Debatte und den beginnenden Wahlkampf.

Das sind für viele Menschen existentielle Fragen, weil von den Antworten ihre Arbeitsplätze, ihre Einkommen und damit zu einem gewissen Grad ihr Selbstwertgefühl abhängen. Eine ebenso existentielle Frage wird jedoch viel zu leise diskutiert: Womit soll die deutsche Wirtschaft in Zukunft wachsen? Das geplante Solarthermie-Projekt gibt darauf den Schimmer einer Antwort, der viele weitere folgen müssen.

Deutsche Forscher und Firmen haben schon viele Ideen, Erfindungen und Entwicklungen geliefert, die in weiten Teilen der Welt den Grundstock für Wohlstand gelegt haben. Der Verbrennungsmotor stammt aus Deutschland, der Computer, die Glühbirne ebenso wie die Antibabypille, die Chipkarte und der MP3-Player. Zwar haben die Nazis einst viel Forschergeist nach Übersee vertrieben. Doch auch heute wieder sind deutsche Unternehmen in etlichen Bereichen weltweit führend, zum Beispiel, wenn es um Klimaschutz-Technologien geht.

Bedrückend ist allerdings, wie wenig Deutschland aus diesen Stärken gemacht hat. Seit Jahrzehnten wächst die deutsche Wirtschaft selbst in Zeiten des Aufschwungs deutlich schwächer als die in anderen hochentwickelten Industrieländern, und sie erholt sich sehr viel langsamer von Krisen. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie, der sich gern der Stärken seiner Mitglieder rühmt, klagt über einen "Pfad der Mittelmäßigkeit" und mahnt: "Immer mehr von dem Gleichen markiert nicht den Inhalt dessen, was hier unter Wachstum verstanden werden soll." Anders ausgedrückt: Immer mehr Opel, immer mehr Karstadt, das rettet Einzelne und vielleicht ein paar Wählerstimmen - Deutschland rettet es auf Dauer nicht.

Damit deutsche Firmen auch in Zukunftsmärkten eine Spitzenposition erobern können, muss sich einiges ändern: in der Politik, in den Unternehmen, in Schulen und Universitäten, aber auch im Umgang der Menschen mit Risiken. Die Politik kann Innovationen nicht verordnen, aber sie kann sie beschleunigen. Sie kann neue Technologien und Lebensformen fördern, zum Beispiel im Umweltschutz, in der Energiegewinnung, in der Gesundheitswirtschaft, bei der Breitband-Versorgung oder in der Agrartechnologie. Sie kann Standards setzen und die Firmen so zu Fortschritten zwingen. Sie kann Gründern helfen, Modellprojekte, etwa beim ökologischen Städtebau, unterstützen und in Bildung investieren. Sie hätte ein Konjunkturprogramm auflegen können, das Deutschland umweltbewusst und sozial verträglich modernisiert, statt eine Wunschzettel-Politik zu verfolgen, die mit einer Auto-Flaute im nächsten Jahr und mit Bauruinen nach dem Muster des Spaßbad-Booms der 90er Jahre enden dürfte.

Unternehmen und Wissenschaftler wiederum sollten stärker kooperieren. Erfindungen müssen schneller zu Produkten werden, und diese Produkte müssen bezahlbar sein und vermarktet werden. Das klappt nicht, wenn jede Firma, jeder Wissenschaftler mit dem Ziel der Perfektion vor sich hin forscht, wie es in Deutschland üblich ist. Natürlich werden sich Konkurrenten ihre Strategien nicht gegenseitig vorlegen, aber von Kunden, Lieferanten und aus anderen Branchen gibt es viele Anregungen, mit denen sich Innovationen vorantreiben ließen. Unternehmen müssen dafür Strukturen schaffen und sich entsprechende Mitarbeiter holen. Universitäten sollten sich der Wirtschaft öffnen und den Forschergeist ihrer Studenten fördern.

Deutschland fehlt aber auch eine innovative Risiko-Kultur. Denn ohne Risiken gibt es keinen Fortschritt. Es muss eine Kultur entstehen, die Gründer belohnt, die Scheitern als Lernerfahrung anerkennt. Eine Kultur, in der sich die Menschen darum bemühen, Risiken in den Griff zu bekommen, statt vor ihnen die Augen zu verschließen und Neues nur mit Ängsten zu begleiten - seien es Mobilfunkmasten, Gen- oder Biotechnologie.

Es geht nicht, jeder Entwicklung blind hinterherzulaufen und Risiken zu ignorieren. Die Finanzkrise mit ihren komplexen Produkten voller versteckter Fallen hat gezeigt, wohin dies führen kann. Ziel müssen solche Innovationen sein, deren Risiken verstanden werden und zu beherrschen sind. Nur so wird die Wirtschaft vernünftig wachsen und einen Wohlstand ermöglichen, der die Ressourcen schont.

© SZ vom 19.06.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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