Innovation:Win-win-Strategie

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Kooperationen zwischen Start-ups und klassischem Mittelstand bieten große Chancen.

Von Tanja Koch

Für den jungen Softwarehersteller Cobrainer läuft es gut. Das Münchner Start-up entwickelt mithilfe von Algorithmen Mitarbeiterprofile für Mittelständler und große Unternehmen. Führungskräfte können diese Mitarbeiterprofile nach bestimmten Fähigkeiten und Qualifikationen durchsuchen. So sollen sich bei neuen Projekten sekundenschnell die besten Teams zusammenstellen lassen. Auch Plätze für Fortbildungen können Unternehmen möglichst sinnvoll vergeben. Gerade in Corona-Zeiten helfe die Software den Unternehmen, Stellen optimal zu besetzen, berichtet Hanns Aderhold, Geschäftsführer von Cobrainer.

In den Büroräumen im Münchner Stadtteil Maxvorstadt arbeiten 24 Mitarbeiter. Etwa 400 Quadratmeter groß ist das helle, moderne Büro von Cobrainer. "Ab dem 1.1. werden wir das Nachbarbüro übernehmen wodurch sich die Fläche auf insgesamt knapp unter 1000 Quadratmeter vergrössert", sagt Aderhold, der 2013 das Start-up gründete. Zu verdanken hat Cobrainer das starke Wachstum auch der Zusammenarbeit mit Mittelständlern wie dem Heiztechnikhersteller Viessmann, der Vogel Communications Group sowie einem Automobilzulieferer. Sie haben als Kunden oder Investoren durch ihr Feedback zur Verbesserung des Produkts beigetragen.

Wenn Mittelständler und Start-ups zusammenarbeiten, profitieren beide Seiten, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft in einer Studie herausgefunden hat. denn sie ergänzen sich gut. Start-ups sind häufig sehr agil und innovativ. Sie brauchen jedoch Kunden. "Die Mittelständler sind in ihren Märkten bislang sehr erfolgreich, wollen nun aber verstärkt digitale Technologien übernehmen", sagt Klaus-Heiner Röhl vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Das nachlassende Wachstumspotenzial der deutschen Wirtschaft könne durch derartige Kooperationen im Bereich Digitalisierung angeschoben werden. Die Kooperationspartner sind für die Start-ups oft nicht nur potenzielle Investoren. "Ein Automobilzulieferer hat Ende 2018 bei uns investiert. Wir planen aktuell die Integration der Software in diesem Unternehmen, dadurch wird der Investor auch die Kundenrolle einnehmen", erklärt Aderhold die gegenseitige Beziehung.

Cobrainer war ursprünglich für große Unternehmen gedacht. In Zusammenarbeit mit dem Zulieferer wird das Produkt nun auf den Mittelstand maßgeschneidert. Die Vogel Communications Group unterstützt Cobrainer bei diesen Anpassungen und ist ebenfalls Investor.

Eine Zusammenarbeit mit Mittelständlern eröffnet den Start-ups Zugang zu Kapital. "Sie brauchen Finanzierungspartner. Und die können sie über Kooperationen mit Mittelständlern gewinnen, die sich an den Start-ups beteiligen", erklärt Röhl. Im Gegensatz dazu sind Mittelständler nicht immer auf Kooperationen angewiesen, aber auch sie suchen oft nach Partnern. "Sie gehen etwa zur UnternehmerTUM der Technischen Universität München und sagen: 'Ich habe eine technische oder unternehmerische Herausforderung, könnt ihr uns Studententeams vermitteln, die diese Fragestellung mit uns gemeinsam lösen können?'", erklärt Aderhold.

UnternehmerTUM ist ein Angebot der Universität, das Gründer und Start-ups unterstützt. Auf diesem Weg habe Cobrainer bereits mehrere Anfragen erhalten. Auch Weiterempfehlungen führen dann zu neuen Kooperationen. So ist etwa die Deutsche Bank Kunde bei Cobrainer und hat das Start-up wiederum ihren eigenen mittelständischen Firmenkunden weiterempfohlen. Veranstaltungen oder Kontaktbörsen, wo Start-ups vorgestellt werden, können hilfreich sein, um neue Kontakte zu bekommen. Zufallskontakte kämen auch in bestehenden Unternehmernetzwerken zustande. Doch dazu muss es dort, wo die Mittelständler sitzen, Start-ups geben. "Die mittelständische Wirtschaft ist eher ländlich im Südwesten konzentriert, wo es nicht so viele Start-ups gibt. Partner zu finden ist dort schwieriger", erklärt Röhl. Die Konzentration von Start-ups auf Berlin und München sei jedoch nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren.

Auch wenn eine Zusammenarbeit zustande gekommen ist, können noch Hürden auftreten, wie Aderhold von Cobrainer berichtet: "Mittelständler sind sehr restriktiv was ihre Daten angeht. In gewisser Weise haben sie mit ihrer Vorsicht recht, gleichzeitig behindern sie sich aber." Im Fall von Cobrainer ist das schwierig, denn die Mitarbeiterprofile werden nicht händisch, sondern durch einen Algorithmus erstellt. Dieser liest unternehmensinterne Inhalte und leitet daraus ab, welche Qualifikationen die Mitarbeiter jeweils haben. Bei einem neuen Projekt oder einer Fortbildung entscheidet das System intelligent, wer sich eignet. Es erkennt, wenn Fähigkeiten zusammenpassen, beispielsweise "Fahrzeugbau", "Batterie" und "E-Mobilität".

Bei der Zusammenarbeit mit Viessmann habe es zu Beginn Diskussionen über das Thema Daten gegeben. Cobrainer erklärte dem Heiztechnikhersteller, wo die Daten liegen, wie sie verarbeitet und geschützt werden. "Die Fragen wurden natürlich zu Recht gestellt. Diese Informationen sollten Mittelständler durchaus einfordern", sagt Aderhold. Schließlich durfte Cobrainer Projektdaten und Beschreibungstexte analysieren und konnte erfolgreich die Profil-Datenbank aufbauen.

Laut Röhl basieren solche Schwierigkeiten auf den verschiedenen Unternehmenskulturen. "Start-ups sind jung, schnell und hip. Wenn etwas nicht funktioniert, macht man vielleicht den Laden auch dicht und beginnt etwas Neues. Für den etablierten Mittelstand, der meist über ein paar Generationen besteht und eher vorsichtig ist, sind solch unstete Partner problematisch", sagt Röhl. Man müsse die Bereitschaft haben, mit anderen Kulturen umzugehen, miteinander auf Augenhöhe zu reden und klare Festlegungen treffen. Laut seiner Untersuchung gelänge das auch zunehmend: "Die Mittelständler werden moderner und sind eher bereit, sich auf die Start-ups einzulassen."

© SZ vom 03.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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