Infineon:Rausch in der Mitte

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Auf Asienkurs: Infineon-Chef Reinhard Ploss posiert in einem chinesischen Elektroauto. (Foto: Lukas Barth/EPA-EFE/REX/Shutterstock)

China ist der wichtigste Markt für Elektromobilität. Infineon fertigt künftig dort Module - ein Millionengeschäft. Doch der Staat diktiert die Regeln.

Von Christoph Giesen, Peking

Wer mit Elektroautos Geld verdienen möchte, muss nach China. So einfach ist das. Im vergangenen Jahr wurden in der Volksrepublik laut Daten des chinesischen Verbands der Automobilhersteller 794 000 Elektrofahrzeuge produziert. Für 2020 prognostizieren die Marktforscher von IHS Markit bereits zwei Millionen Stück. Und 2024 könnten es dann sogar 4,3 Millionen Fahrzeuge sein. Fast jedes zweite Elektrofahrzeug der Welt würde dann in China verkauft werden.

Der Chiphersteller Infineon hat sich deshalb entschieden, gemeinsam mit dem staatlichen Autokonzern Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) sogenannte Power-Module für Elektroautos zu produzieren. An diesem Freitag wird im Infineon-Werk von Wuxi, in der Nähe von Shanghai, die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens gefeiert. SAIC Infineon Automotive Power Modules heißt die neue Firma - abgekürzt SIAPM. SAIC hält künftig 51 Prozent der Anteile, Infineon die verbliebenen 49 Prozent.

"Jedes Elektroauto braucht mindestens ein Power-Modul - abhängig von der Leistung. Manche haben sogar vier Stück eingebaut", erklärt Jochen Hanebeck, Vorstandsmitglied von Infineon. Bislang importiert das Unternehmen die Bauteile für den chinesischen Markt aus Deutschland. "Für die Einfuhr von Modulen fallen in China Zölle an, durch das eigene Werk können wir diese zusätzlichen Kosten vermeiden", sagt Hanebeck. 100 Millionen Euro haben die beiden Partner in die Fertigung in Wuxi investiert. "Mittelfristig streben wir im Joint-Venture die Produktion von einer Million Modulen pro Jahr an", sagt Hanebeck. Eine eher konservative Prognose.

Denn: Von 2019 an müssen Hersteller, die mehr als 30 000 Autos pro Jahr in China verkaufen, für zehn Prozent ihrer Wagen eine Elektroquote erfüllen. Für jeden dieser Quoten-Wagen muss dann ein sogenannter Kreditpunkt nachgewiesen werden. Das System sieht vor, dass Elektroautos mit hoher Reichweite gleich mehrere dieser Kreditpunkte erhalten: Im besten Fall sind es bis zu fünf, Hybridfahrzeuge mit einer Mischung aus Verbrennungsmotor und Elektroantrieb sollen künftig zwei Punkte bekommen.

Offiziell muss man nicht kooperieren. Aber wehe, die Firmen tun es nicht

Im Schnitt kalkulieren die meisten Autobauer mit vier Punkten pro Elektrofahrzeug. Für Volkswagen, den größten Hersteller in China, bedeutet dies, dass bereits im kommenden Jahr bei drei Millionen verkauften Wagen etwa 75 000 Elektromodelle gefertigt werden müssen. In den kommenden Jahren steigt die Quote dann weiter an. 2020 sind es zwölf Prozent. Für 2021 hat der Staat noch keine explizite Vorgabe gemacht. Laut Gesetz soll die Quote aber über dem Wert des Vorjahres liegen. Und egal, ob die Hersteller nun lieber auf Hybride oder reine Elektroautos setzen, alle diese Fahrzeuge brauchen mindestens ein Power-Modul. Goldgräberstimmung in der Chipindustrie also.

Warum gründet Infineon dazu ausgerechnet ein Gemeinschaftsunternehmen? Im Gegensatz zu den Autoherstellern, die per Gesetz dazu verpflichtet sind, sich einen chinesischen Partner zu suchen, hätte Infineon die Fertigung auch alleine aufbauen können. Vorstand Hanebeck antwortet ausweichend: "Beide Seiten bringen sich im Joint-Venture ein. Infineon steuert das technologische Know-how für Power-Module bei."

In China spricht man von informellem Joint-Venture-Zwang. Offiziell muss man nicht kooperieren, aber wehe, wenn nicht. Dann kann das Geschäft Schaden nehmen. Die meisten Autos werden in China von Staatskonzernen gefertigt, da ist es sicherlich hilfreich, wenn ein solches Unternehmen als Türöffner fungiert. Und SAIC ist der wichtigste von allen. Autos von Volkswagen und General Motors werden in den Werken von SAIC montiert. Auch die Kosten im Einkauf dürften durch die Beteiligung von SAIC sinken, zudem kommen Staatskonzerne spielend an Kredite, und auch der Erwerb von Bauland ist gewöhnlich kein Problem.

Der Nachteil: Man muss teilen mit dem chinesischen Staat, der den Goldrausch mit seinen Gesetzen erst ermöglicht hat.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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