Industrie:Viele Aufträge, aber kein Material

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Er hat noch etwas zu tun, aber die Bänder stehen bei vielen Autoherstellern jetzt immer öfter still: Arbeiter in einem VW-Werk. (Foto: Swen Pfoertner/Reuters)

Die deutsche Industrie leidet unter Lieferengpässen, die Preise steigen deutlich.

Von SZ,dpa, Reuters, München

Der akute Materialmangel in der deutschen Industrie hat sich September verschärft und ist nun so groß wie nie zuvor. 77,4 Prozent der Unternehmen berichteten über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, hat das Ifo-Institut in einer eigenen Umfrage herausgefunden. Der bisherige Rekordwert vom August mit 69,2 Prozent wurde damit merklich übertroffen. "Der Flaschenhals auf der Beschaffungsseite wird immer enger", stellte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe fest. Preiserhöhungen bleiben demnach auf der Agenda. "Es sind viele Aufträge da, Unternehmen können diese gegenwärtig aber nicht produzieren", ergänzte Wohlrabe. Auch die Kurse an der Börse leiden bereits unter der hohen Unsicherheit.

In der Autoindustrie ist die Lage demnach besonders ernst. Nahezu alle Unternehmen (97 Prozent) berichteten hier von Problemen. Auch in anderen zentralen Branchen ist der Anteil weiterhin sehr hoch: Bei elektrischen Ausrüstungen (93 Prozent), der Chemieindustrie (67 Prozent) und dem Maschinenbau (89 Prozent). In der Papierindustrie meldeten ebenfalls deutlich mehr Firmen eine Knappheit auf der Beschaffungsseite (79 Prozent). Eine Entspannung gab es den Angaben nach in keiner einzigen Branche.

Als Folge wollen immer mehr Unternehmen ihre Preise erhöhen, jetzt auch in der Autoindustrie. Weil weniger Fahrzeuge produziert werden und auf den Markt kommen, gebe es weniger Rabatte, analysiert Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Ein typischer Neuwagen sei im August und September für den Kunden im Schnitt um 360 Euro teurer geworden. Noch stärker ziehen die Preise im angespannten Gebrauchtwagengeschäft an.

Aufseiten der Hersteller hinterlässt der stellenweise leer gefegte Zuliefermarkt für Halbleiterteile inzwischen bedrohliche Spuren. Bei VW etwa kümmert sich rund um die Uhr eine "Taskforce" um den Einkauf noch erhältlicher Chargen. Doch gleichzeitig fallen auch hier weiterhin Produktionsschichten über ganze Wochen aus. So teilte VW, Europas größter Autokonzern, mit, bis Mitte Oktober am Stammsitz Wolfsburg überwiegend Kurzarbeit fahren zu müssen - nicht zum ersten Mal. Dabei trifft der anhaltende Teilemangel bei den Anbietern auf eine Nachfragesituation, die eigentlich kaum besser sein könnte.

Gleichzeitig steigen die Importpreise, der Anstieg ist mit 16,5 Prozent der stärkste seit 1981, vor allem wegen der hohen Preise für Öl und Gas. Eine kräftigere Zunahme gab es zuletzt im Zuge der zweiten Ölkrise, damals waren es 17,4 Prozent. Experten erwarten, dass die teurer gewordenen Importe auch auf die Lebenshaltungskosten der deutschen Verbraucher durchschlagen werden. Die Inflationsrate lag im August mit 3,9 Prozent auf dem höchsten Stand seit 1993.

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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