IG Metall:Unbeugsame Hotzenplotze

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Glücklicherweise trägt die Gewerkschaft ihren Streit in aller Öffentlichkeit aus. So wird deutlich, was sich alles ändern muss.

Hans von der Hagen

Selten wurden Interna der Gewerkschaften von der breiten Öffentlichkeit so aufmerksam verfolgt, wie in diesen Tagen der Streit im IG-Metall-Vorstand. Und es war nicht nur Sensationslust, die das Interesse entfachte.

Vielmehr wird klar, dass es um mehr als eine bloße Führungsdebatte geht, auch um mehr als einen Richtungsschlenker weg von den Fundamentalisten hin zu den Realos.

Nicht die Krise ist schlimm, sondern der Umgang mit ihr

Es geht darum, ob und wie die Arbeitnehmervertretung es schafft, sich rundzuerneuern. Dabei steht nicht die Institution Gewerkschaft in Frage, sondern ihr Vermögen, mit dem Wandel in der Gesellschaft Schritt zu halten.

Wie könnte sie es deutlicher zeigen als mit diesem Streit, dass ihr das überhaupt nicht gelingen will. Schlimmer noch: dass sie offenbar nicht erkannt hat, dass diese Notwendigkeit überhaupt besteht.

Nicht die Auseinandersetzung als solche, sondern die Art und Weise, wie sie geführt wird, ist symptomatisch für die Krise der Gewerkschaften.

So wenig es der IG Metall gelingt, diesen Streit elegant zu Ende zu bringen, so wenig gelingt den Gewerkschaften die Neupositionierung in der modernen Arbeitswelt.

Sie zeigen sich als unerbittliche Hüter der Besitzstände, die sie in den letzten Jahrzehnten errungen haben. So wertvoll diese auch sein mögen — das Verhalten führt dazu, dass die Basis der Gewerkschaften ausdünnt.

Sie repräsentieren heute nur noch den Arbeitnehmer, der jeden Tag sieben Stunden arbeitet, viele Wochen in den Urlaub fährt, Überstunden abgegolten bekommt und alljährlich auf eine hübsche Lohnsteigerung hoffen darf. Allein — der wird in den nächsten Jahrzehnten aussterben. Gefeuert wird er heute schon.

Simple Analyse und schrille Töne

Unternehmen lieben die Dehnbarkeit: Flexible Arbeitszeiten, flexible Urlaubsverteilung, flexible Gehälter und flexible Wochenarbeitszeit. Darum entfernen sie sich aus dem Dunstkreis der Flächentarifverträge und mit ihnen — nolens volens — die Arbeitnehmer. Die New Economy, die häufig genug im Schoße der Old Economy heranwächst, braucht eben auch den New Employee, den neuen Arbeitnehmer.

Doch gerade dort, wo der Wandel der Arbeitswelt besonders rasant verläuft, dort, wo die Fronten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufweichen, weil der Arbeitnehmer zunehmend die Rolle des Mini-Unternehmers übernehmen muss, gerade dort also, wo die Gewerkschaften ihre Wandlungsfähigkeit beweisen könnten — sind sie nicht zu finden. Nirgends.

Und so fehlt denn auch die Rückkopplung in den herkömmlichen Arbeitsmarkt und mit ihr jeglicher Impuls für moderne Gewerkschaftsarbeit.

Gewerkschaften — das Wort steht mittlerweile für simple Analyse und schrille Töne. Und, wie der endlose IG-Metall-Streit zeigt, für eine Ansammlung unbeugsamer Hotzenplotze.

Immerhin: Jetzt ist die Gelegenheit günstig, das grundlegend zu ändern.

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