IG Metall in Künzelsau:Betriebsrat statt Heimwerkerei

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„Wir haben uns nie dagegengestellt“, sagt Patriarch Würth über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer. (Foto: Daniel Maurer/dpa)

Bei Würth wird ein Betriebsrat gewählt - ein richtiger.

Von Detlef Esslinger, Nürnberg

Die Vorschrift könnte nicht eindeutiger sein. "In Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern werden Betriebsräte gewählt", so lautet, sinnwahrend gekürzt, Paragraf 1 des Betriebsverfassungsgesetzes. Beim Werkzeug- und Montagematerialhändler Würth aus Künzelsau arbeiten mehr als 7000 Menschen, zum Teil seit Jahrzehnten. Am Mittwoch wählen sie einen Betriebsrat, zum allerersten Mal. Wie das? Warum jetzt? Und warum bisher nie? Es gab auch bisher eine Art Mitbestimmung in der Firma, an deren Spitze auch mit 84 Jahren noch Reinhold Würth steht; derzeitige offizielle Funktion: Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrates der Würth-Gruppe, tatsächlich Patriarch, im besten und im kompliziertesten Sinne.

Das Gremium, das es bisher bei Würth gab, nannte sich "Vertrauensrat". Es bestand aus 31 Mitgliedern, diese besprachen mit der Geschäftsleitung Dinge wie Entgeltstruktur, Sozialleistungen, Arbeitszeiten und -sicherheit; allerdings ohne auf gesetzliche Rechte zurückgreifen zu können. Verglichen mit einem Betriebsrat, wie er im Gesetz geregelt ist, war der Vertrauensrat: Heimwerkerei. Lang Zeit schienen die Mitarbeiter jedoch zufrieden zu sein damit; in den vergangenen Monaten jedoch nicht mehr. Mitarbeiter vor allem in der Logistik waren unzufrieden mit den Regelungen in ihren Arbeitsverträgen zu Bezahlung und Arbeitszeit, sie stellten fest, dass der "Vertrauensrat" nicht über die Instrumente verfügte, die ein Betriebsrat nun mal hat. Eine "Eigendynamik" setzte ein, wie Uwe Bauer, Geschäftsführer der IG Metall in Schwäbisch Hall sagt. Anfang Juni gab es in Künzelsau eine Mitarbeiterversammlung, nun wird gewählt. "Wir haben in einer konzertierten Aktion Kandidatinnen und Mitstreiter gewonnen", sagte Irene Schulz, die im Hauptvorstand der IG Metall für die Erschließung von Betrieben zuständig ist, auf dem Gewerkschaftstag der Organisation. "Die Herausforderung ist groß, das Unternehmen komplex und die Ausgangssituation nicht einfach." 190 Kandidaten gibt es, auf 15 Listen, 30 der bisherigen 31 Vertrauensräte treten an. Der Wahlkampf der IG Metall lief sogar noch übers Wochenende, die Gewerkschafter versuchten, die Beschäftigten in 1:1-Gesprächen zum Wählen zu animieren.

Man kann nicht behaupten, dass Reinhold Würth sich auf den Betriebsrat freut; man kann aber auch nicht sagen, dass er sich der Wahl entgegenstemmt. "Wir haben uns nie dagegengestellt", sagte er neulich in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. "Künftig wird alles länger dauern und uns einige Millionen kosten." Er wird künftig 35 Betriebsräte in seiner Muttergesellschaft haben, zehn von ihnen muss er freistellen für die Tätigkeit.

So kann man es sehen, oder so wie Uwe Bauer von der IG Metall. Als Arbeitnehmer war man nach seiner Wahrnehmung bei Reinhold Würth immer recht gut aufgehoben, jeder fand nach Würths selbstgebastelten System Gehör. "Jeder Mitarbeiter hat die Chance, direkt zu ihm zu gehen, Würth lässt keinen fallen", sagt Bauer. "Aber so ein System funktioniert nur mit ihm, wenn er eines Tages weg ist, dann nicht mehr." Also jetzt eine Betriebsratswahl und Mitbestimmung nicht nur nach Art des Hauses, sondern des Gesetzes.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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