Ifa 2020:Verwaiste Stände, einsame Besucher

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Der Huawei-Stand ist eine der größeren Stände der Ifa. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die diesjährige Konsumelektronikmesse Ifa in Berlin zeigt, was von einer Präsenzmesse in Corona-Zeiten übrig bleibt.

Von Helmut Martin-Jung, Berlin

"Sie waren doch schon mal hier", sagt der freundliche Sicherheitsmann am Eingang, guckt trotzdem noch mal kurz in die mitgebrachte Tasche und macht dann den Weg frei. Fehlt nur noch, dass man persönlich begrüßt würde, aber auch das wäre fast machbar. Denn die Ifa 2020 ist anders als sonst. Sehr anders.

"Special Edition" haben die Veranstalter sie genannt, und Jens Heithecker, Berlins Messe-Chef, hängt die Latte ziemlich hoch bei der Eröffnungs-Pressekonferenz am Donnerstagvormittag, zu der sich gut 200 Journalisten versammelt haben mögen - die meisten brav mit Mund-Nasen-Schutz. Und mit genügend Sicherheitsabstand, weil sie gar nicht anders können: die Stühle sind sehr luftig aufgestellt.

Aus den Lautsprechern dröhnt zur Einstimmung das vom FC Liverpool bekannte Lied "You'll never walk alone". Was wohl heißen soll: Auch wenn es der Branche dreckig geht, wir halten zusammen. Und dieses Zusammenhalten, das macht Heithecker klar, das drückt man am besten dadurch aus, dass man zusammenkommt, ganz real, physisch. "Dass wir uns hier treffen", sagt er, "gibt uns wenigstens ein bisschen Normalität zurück". Und, die Rückkehr zur Normalität stehe bevor, gibt er sich optimistisch.

"Nichts schlägt persönliche Treffen, wenn es ums Geschäft geht."

Die Ifa-Veranstalter hätten ja auch alles online machen können. Bei der Messegesellschaft habe man sich das auch gefragt, gibt Heithecker zu, aber, argumentiert er: "Nichts schlägt persönliche Treffen, wenn es ums Geschäft geht". Also versucht man einen Mix, versucht zu retten, was zu retten ist in diesem verflixten Jahr. Dem einzigen übrigens nach 1961, als im August die Berliner Mauer gebaut wurde, in dem die Ifa nicht regulär ablief. Die Ifa hat zudem einen extended space geschaffen einen erweiterten Raum im Internet, in dem sich die Hersteller präsentieren können. Die Frage ist aber, ob sie dafür unbedingt die Ifa gebraucht hätten.

Von regulär also kann in diesem Jahr bei der Konsumelektronikmesse wirklich nicht die Rede sein, das Bemühen, wenigstens einen Abglanz von Normalität herzustellen, ist zwar unübersehbar. Doch selbst das ist schwierig. Dies nicht bloß wegen der besonderen Maßnahmen, die zum Schutz gegen das Corona-Virus getroffen werden mussten. Die ganze Messe belegt bloß ein paar Hallen, davon sind die meisten für Presse-Präsentationen vorgesehen, live mit Menschen auf der Bühne oder als Videostream. Andere sind fürs Catering reserviert, aber die Foodtrucks darin stehen einsam herum, kaum ein Dutzend Menschen hält sich hier auf, was nicht nur an den ziemlich gesalzenen Preisen von Speis und Trank liegt.

Da passt es ins Bild, dass Walter Ji, Leiter des Endkundengeschäfts von Huawei in Europa, die neuen Produkte des chinesischen Konzerns, nur am Rande erwähnt. Ji macht stattdessen Werbung für seine Firma, erzählt, wie sehr sie Wichtiges für Europa leiste, mit seinen Entwicklungszentren, von denen auch eines in Deutschland betrieben wird, in München, oder mit den 33 Millionen aktiver Nutzer von Huaweis App Store. Dass man den aus dem Boden stampfen musste, weil Huawei unter die Räder des chinesisch-amerikanischen Handelsstreits geriet, und keine Produkte mehr von Google (Software) oder auch Intel (Chips) mehr beziehen darf, das lässt Ji unerwähnt. Stattdessen die frohe Botschaft, dass schon bald acht sogenannte Flagship Stores in Europa entstehen sollen, einer auch in Deutschland.

Huawei betreibt in der angrenzenden Halle einen - gemessen an üblichen Messe-Präsenzen des Konzerns - fast schon winzigen Stand. In der Halle ist er noch der größte, die restlichen der wenigen Firmen, die sich hier zeigen, wirken bunt zusammengewürfelt, von Internet-Routern für zu Hause bis zum app-gesteuerten Vibrator fürs Bett ist alles dabei. Das Vibrator Start-up Satisfy verteilt fleißig Tragetaschen an die überwiegend männlichen Besucher.

Auch im Messe Cube, einem relativ neuen Bau am Südrand des Messegeländes, ist Betrieb, allerdings auch hier kein reger. Einige Start-ups stellen hier aus, darunter auch nette Ideen wie der induktiv betriebene Tauchsieder Heatle, dazu die üblichen und wie üblich schwach besuchten Länder-Stände - Motto: Innovation made in (hier Land einsetzen). Ein paar Hersteller von E-Fahrzeugen sind auch da. Mag sein, dass angesichts des dünnen Angebots mancher Kleine mehr Publikum findet als auf einer normalen Ifa, bei der er mit großer in Wahrscheinlichkeit im allgemeinen Grundrauschen untergegangen wäre.

Manche, die sonst gefühlt die halbe Ifa bestreiten, Samsung etwa und viele andere Konzerne der Branche, haben wohl geahnt, was hier auf sie zukommen würde und sind erst gar nicht erschienen. Wer groß genug ist, findet eben auch so genügend Interesse für eigene Präsentationen, die zum Beispiel Samsung kurz vor der Ifa im Internet abgehalten hat. So verlässt man das Messegelände, grüßt noch einmal den freundlichen Sicherheitsmann und den Taxifahrer vor dem, der vor einer Stunde da auch schon stand. Ein Versuch, ihn aufzumuntern: "Nicht viel los, was?" - "Nur warten", gibt der zurück.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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