Hypo Real Estate:Rendezvous im Gerichtssaal

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Die HRE soll ihre Aktionäre getäuscht haben: Jetzt wird Klage eingereicht - und Ex-Bank-Chef Funke dürfte als Zeuge geladen werden. Die Kläger verlangen vier Millionen Euro von der HRE.

T. Fromm und K. Ott

Die große Öffentlichkeit hatte Georg Funke nie gesucht. Aber seitdem er vor drei Monaten als Vorstandschef der Hypo Real Estate (HRE) zurückgetreten ist, taucht er überhaupt nicht mehr auf.

(Foto: Foto: ddp)

Er lebt zurückgezogen in einem Münchner Vorort und wartet ab, was bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn und andere Verantwortliche der Immobilienbank herauskommt. Aus seinem Umfeld ist zu hören, der frühere Dax-Chef habe Angst vor Übergriffen aufgebrachter Bürger und fürchte um die Sicherheit seiner Familie.

Funke weiß nur zu gut: Als sein Konzern im vergangenen Herbst beinahe kollabiert wäre und nur durch Milliardenhilfen des Bundes am Leben erhalten werden konnte, ging sein Bild durch die Presse. Seitdem ist Funke für viele Bürger das Gesicht der Finanzkrise.

Mehr noch: Die Strafverfolger untersuchen, ob der frühere Vorstand des angeschlagenen Hypothekenfinanzierers die Anleger viel zu spät über die prekäre Lage des Instituts informiert und die wahre wirtschaftliche Situation falsch dargestellt hat.

Da es Monate, vielleicht sogar Jahre dauern könnte, bis ein Ermittlungsergebnis vorliegt, drängen HRE-Aktionäre nun auf ein baldiges Wiedersehen mit Funke - und zwar vor Gericht. Der Ex-Banker, der frühere HRE-Aufsichtsratschef Kurt Viermetz, Ex-Finanzvorstand Markus Fell und weitere Top-Manager sollen als Zeugen geladen werden. So steht es in einer 100 Seiten schweren Klageschrift gegen die HRE, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Der Schaden der Aktionäre

Die Münchner Anwaltskanzlei Rotter fordert im Namen von mehr als 50 Kapitalanlegern über vier Millionen Euro Schadenersatz von der Bank. Zu den Klägern gehören nach SZ-Informationen mindestens drei große institutionelle Investoren aus Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland; außerdem sollen einige der klagenden Privatanleger mit viel Geld bei HRE eingestiegen sein. Die Klage soll nach Auskunft der Anwälte an diesem Donnerstag beim Landgericht München I eingereicht werden. Für Ende September sei dann eine weitere Klage geplant.

Der Vorwurf gegen Funke und seine früheren Kollegen wiegt schwer: Die damalige Topriege des Konzerns soll die Aktionäre getäuscht und ihnen so einen hohen finanziellen Schaden zugefügt haben.

Akribisch zeichnen die Juristen nach, wie Funke und seine Manager in der zweiten Jahreshälte 2007 immer wieder betonten, dass der Konzern solide sei und gestärkt aus der Krise hervorgehe - und wie es zu den Ereignissen des 15. Januar 2008 kam, als der Konzern plötzlich Abschreibungen in Höhe von 390 Millionen Euro verkündete und die Aktie um 35 Prozent auf 21,64 Euro einbrach.

Am 29. September 2008 schließlich stürzte die Aktie von rund 16 Euro auf 3,52 Euro ab. Grund: Liquiditätsengpässe bei der HRE-Tochter Depfa und die Schockmeldung, dass die HRE nur durch einen Milliarden-Rettungsaktion am Leben erhalten werden kann. Der Vorwurf der Kläger jetzt: Wären die Aktionäre in beiden Fällen zeitig vorbereitet worden, hätten sie wohl keine HRE-Aktien mehr gekauft und keinen Schaden durch den dann eingetretenen Kursverlust erlitten.

Anders gesagt: Der Preis der HRE-Aktie habe weit über ihrem eigentlichen Wert gelegen, da laut Klageschrift zu spät informiert worden sei. Die Klage basiert auf der Berechnung des sogenannten Kursdifferenzschadens und des eigentlichen fairen Kurswertes der HRE-Aktie; nach Angaben der Kläger liegt dieser bei 5,21 Euro. Die Differenz zwischen dem von der Klägerseite bezahlten, laut Klageschrift "weit überhöhten Kaufpreis" und dem fairen Kurswert ist schließlich der Betrag, der als Schadenersatz geltend gemacht werden soll.

Als Zeugen sollen Funke und seine Ex- Kollegen nun vor Gericht wahrheitsgemäß berichten, was bei der HRE geschah. Sie können aber die Aussage verweigern, da die Staatsanwaltschaft gegen sie ermittelt. Erfahrene Strafverteidiger, wie sie im Fall HRE aktiv sind, raten ihren Mandaten in der Regel dazu, von diesem Recht Gebrauch zu machen.

Schweigerecht der Manager

Doch auch ohne prominente Zeugen wären immer noch genügend Stoff und Emotionen für spannende Verhandlungstage vor Gericht vorhanden. Immerhin muss der Konzern heute mit Milliardenhilfen vom Staat - also von den Steuerzahlern - vor dem Zusammenbruch gerettet werden; selbst ein direkter Einstieg des Bundes wie bei der Commerzbank wird in Finanzkreisen nicht ausgeschlossen.

Für Turbulenzen dürften auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen möglicher verbotener Insidergeschäfte sorgen. Freunde und Familienangehörige von Managern sollen vor der ersten Alarmmeldung des Konzerns am 15. Januar im großen Stil HRE-Aktien abgestoßen haben - zu einem Zeitpunkt also, als gutgläubige HRE-Aktionäre noch fleißig Papiere des Konzerns in ihr Portfolio holten und dafür viel Geld zahlten.

Die Kläger ersparen sich eine Beurteilung des früheren HRE-Managements. So heißt es am Ende der Klageschrift: Man werfe den Beklagten nicht "dieses eklatante Managementversagen vor". Wohl aber, dass man es "pflichtwidrig unterlassen" habe, den Kapitalmarkt "über vorstehende, sich aus der Finanzmarktkrise ergebende kursrelevante Risiken zu informieren". Die HRE wollte sich nicht dazu äußern. Die Klageschrift liege der Bank nicht vor.

© SZ vom 14.01.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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