HRE-Prozess:Die Richterin bohrt und bohrt

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Georg Funke am ersten Gerichtstag in München, am 20. März diesen Jahres. (Foto: Christof STACHE/AP)

Im HRE-Prozess am Landgericht München beginnt nun die Aufarbeitung der Vorwürfe um die früheren Bank-Manager - und das ist Detailarbeit.

Von Stephan Radomsky, München

Besonders sympathisch sind sich Georg Funke und Petra Wittmann nicht, das lässt sich wohl sagen. Ihr Verhältnis ist auch schwierig: Schließlich muss sie, die Vorsitzende Richterin der 5. Strafkammer am Landgericht München, über ihn, den ehemaligen Chef der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE), ein Urteil fällen. Am Montag ist die Spannung zwischen beiden streckenweise im Gerichtssaal fast greifbar.

Dass sie "viele Fragen" habe, hatte Wittmann gleich am Morgen angekündigt - und damit nicht übertrieben. Es geht um Details, um einzelne Wörter aus Dokumenten und E-Mails, die fast zehn Jahre alt sind. Was bedeutete da "kritisch", wenn es um die Finanzlage der HRE geht? Was "angespannt"? Und ab wann wäre eine Bank eigentlich nicht mehr liquide? Es geht tief hinein ins Innenleben der HRE, einer Bank, die durch die milliardenschwere Übernahme des Staatsfinanzierers Depfa im Herbst 2007 plötzlich massiv gewachsen war und mit der Integration und den Schwierigkeiten der neuen Tochter zu kämpfen hatte.

"Das nehmen wir jetzt mal so hin", sagt die Richterin. Beruhigend klingt das nicht

Zunehmend bohrend werden die Fragen des Gerichts, Funke antwortet mal unwirsch, mal weitschweifig und er versucht immer wieder auf seine Argumentationslinie zu kommen: Dass die HRE nie pleite war, dass ihr nie das Geld auszugehen drohte und sie nur "von außen zerstört worden" sei, wie er es in seiner Aussage vor zwei Wochen formuliert hatte.

Um das Große und Ganze geht es aber gar nicht in diesem Prozess. Zwar wird hier die größte Bankenrettung in der deutschen Geschichte strafrechtlich aufgearbeitet. Vom einstigen Hauptvorwurf der Ermittler, nämlich dass Funke und der mit ihm angeklagte Ex-Finanzvorstand der HRE, Markus Fell, durch eine überhastete Expansion Vermögen der Bank veruntreut hätten, ist aber schon in der Anklageschrift nichts mehr übrig.

Beide sollen laut Staatsanwaltschaft lediglich die Lage der HRE in den Bilanzen für 2007 und für das erste Halbjahr 2008 geschönt haben, Fell soll zudem den Kurs der Aktie manipuliert haben, indem er die Nöte der Bank vor Investoren verschwieg. Wenige Tage später musste die HRE im Herbst 2008 mit Milliarden staatlichen Finanzhilfen und Garantien vor dem Kollaps bewahrt werden. Bis heute stecken unter dem Strich 16,7 Milliarden Steuergeld in den Überresten der einst drittgrößten Bank im Land, weitere Verluste nicht ausgeschlossen. Beide Ex-Banker bestreiten die Vorwürfe.

Entscheidend für das Gericht sind deshalb die Details. Wie genau wurden die Bilanzen erstellt? Welche Protokolle wurden wann und von wem verfasst und freigegeben? Wer wurde von der hausinternen Revision über Probleme informiert? Das sei alles zehn Jahre her, er habe so viele Papiere gelesen, er könne sich unmöglich an Details erinnern, sagt Funke mehrmals. Und verweist immer wieder auf Zahlen von damals, wonach bis kurz vor Schluss ausreichend Geld da gewesen sei.

Warum aber beispielsweise das Protokoll einer wichtigen Vorstandssitzung erst Monate nach der Sitzung und nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers unterzeichnet wurde, bleibt offen. Genauso wie die Frage, warum die Liquiditätslage der HRE intern zu mehreren Gelegenheiten scheinbar anders diskutiert wurde, als sie außen dargestellt wurde, auch. "Das nehmen wir jetzt mal so hin", sagt Wittmann knapp nach mehreren Anläufen zur Klärung. "Wie wir das später beurteilen, das werden wir sehen." Besonders beruhigend dürfte das für den Angeklagten Funke und seine Verteidiger nicht klingen.

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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