Hollywood:Wunderbare Schätze

Lesezeit: 3 min

Die Universität von Kalifornien und Hollywood restaurieren Klassiker aus den frühen Tagen des Films. Einige der Streifen lassen sich mit Gewinn vermarkten.

Von Jürgen Schmieder

Natürlich kann sich jemand, der daheim eine prall gefüllte Schatzkammer hat, zunächst einmal glücklich schätzen. Das gilt vor allem dann, wenn er erfährt, dass der Inhalt in diesem Tresor nicht nur schnöder Mammon ist, sondern auch Dinge von kulturellem Wert. So gesehen sollten sich die Unternehmen Universal Pictures und Warner Bros, aber auch die Universität UCLA und auch die Library of Congress freuen über das, was sie besitzen: Es sind zahlreiche Filme wie der Film-Noir-Klassiker "Alias Nick Beal" (1949), "The Wild Party" (1929) mit der damals überaus hippen Schauspielerin Clara Bow oder das opulente Meisterwerk "The Red Shoes" (1948) von Michael Powell und Emeric Pressburger.

Das Problem an diesen wunderbaren Schatzkammern ist, dass der Eigentümer erst einmal sehr viel schnöden Mammon ausgeben muss, wenn er der Welt seine Besitztümer präsentieren möchte. Die Schätze sind nur dann interessant und wertvoll, wenn sie restauriert sind, was bei einem Schwarz-Weiß-Stummfilm etwa 40 000 Dollar kostet. Es kann jedoch schnell viel teurer werden wie etwa bei "The Red Shoes": Drei Jahre lang wurde das Werk vom Film & Television Archiv der Universität UCLA restauriert, die Kosten dafür: 1,5 Millionen Dollar. Der Streifen wurde danach in den USA und Großbritannien auf DVD veröffentlicht, wirtschaftlich lohnend war die Restauration jedoch nicht.

Bis vor 15 Jahren wurden Restauratoren von den Studios noch als Piraten betrachtet

"Wir sind zwar eine staatliche Universität, jedoch kommen nur 15 Prozent unseres Budgets zur Erhaltung der Filme vom Bundesstaat Kalifornien", sagt Jan-Christopher Horak, der Direktor des Instituts, das mit 350 000 Film- und Fernsehtiteln über die zweitgrößte Filmbibliothek der USA verfügt: "Das bedeutet, dass wir stets Drittmittel zur Finanzierung brauchen. Deshalb bestimmt der, der uns fördert, auch bei der Auswahl der Filme mit." Seit 50 Jahren gibt es das Archiv, seit 1977 werden pro Jahr etwa 25 Filme, darunter "Becky Sharp" (1935) "Lost Horizon" (1937) und "The Big Sleep" (1946). Dazu kommen etwa 500 Fernsehserien.

Die US-Kongressbibliothek nominiert in jedem Jahr 25 Filme, die es zu bewahren gilt. Im vergangenen Jahr waren auf dieser Liste "Bert Williams Lime Kiln Club Field Day" (1913) zu finden, aber auch der erst vor 17 Jahren erschienene "The Big Lebowski". Die Titelsammlung geht zurück auf den National Film Preservation Act aus dem Jahr 1988, durch den amerikanische Kulturgüter geschützt werden sollen. Aber was passiert mit den zahlreichen Filmen, die in den Schatzkammern der Studios und Produktionsfirmen in Hollywood herumliegen? Anders als Universitäten oder Bibliotheken sind das milliardenschwere Unternehmen, die gerade damit zu kämpfen haben, dass der traditionelle Kassenschlager nicht mehr unbedingt 500 Millionen Dollar an der Kinokasse erwirtschaftet. Was kein Geld einbringt, so eine wichtige Regel in Hollywood, kann im Keller vermodern.

"Die Rechteinhaber haben mittlerweile entdeckt, dass sie auch Geld verdienen können", sagt Horak: "Bis vor 15 Jahren haben sie uns behandelt wie Piraten, die aufgrund der Restaurierungen das Urheberrecht verletzen könnten. Mittlerweile haben wir jedoch ein gutes Verhältnis, weil die Unternehmen ihre Filme auch selbst bearbeiten." Das tun sie natürlich nicht nur, um ihre bedeutsame Kulturgüter mit der Welt zu teilen, sondern vor allem, um Geld mit den alten Schätzen zu verdienen.

"Es ist meine Aufgabe, diese Inhalte zu monetarisieren", sagt George Feltenstein, der Leiter der Warner Archives: "Wir müssen möglichst viele Menschen erreichen, damit sich die Restauration dieser Filme lohnt. Bei Filmen wie 'Casablanca' oder 'King Kong' ist das keine Frage, doch was passiert, wenn man tiefer in die Gewölbe hinabsteigt und nachsieht, was da noch so herumliegt?" Um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, lässt sich Feltenstein nicht nur von Cineasten und Filmhistorikern beraten, sondern fordert die Fans von Filmklassikern auf, ihre Wünsche zu senden. Dabei fand er heraus, dass es eine große Fangemeinde von nicht gerade hochwertigen Western geben würde. "Selbst die Produzenten haben damals gesagt, dass wir die Filme verrotten lassen können", sagt Feltenstein: "Wir haben sie als DVD-Kollektionen herausgebracht, und es war profitabel."

Auch die anderen Studios haben längst verstanden, dass sich in ihrer Schatzkammer wertvolle Juwelen befinden. Universal vertreibt Klassiker über Amazon und hat bereits angekündigt, bis zu 20 Stummfilme restaurieren zu wollen. Paramount hat einen Youtube-Kanal eingerichtet, auf dem fast 100 Filme zu sehen sind. 20th Century Fox hat angekündigt, anlässlich des 100. Geburtstags des Unternehmens in diesem Jahr 100 Filme auf einem Streamingportal bereitstellen zu wollen, gegen Bezahlung natürlich.

Es scheint, als würden gerade jene Portale dafür sorgen, dass Filmfreunde Zugang zu bislang unerreichbaren Klassikern haben, von denen seit einigen Jahren behauptet wird, sie seien für den Niedergang der Filmindustrie verantwortlich. Den Verantwortlichen der großen Studios freilich ist diese Ironie egal. Schließlich besagt eine andere Hollywood-Regel: Wichtig ist es, schnöden Mammon zu verdienen, egal, über welchen Kanal.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: