Hiobsbotschaft im Posteingang:US-Justiz ermittelt gegen Siemens

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Während die Siemens-Vorstände bei der Hauptversammlung die Kritik der Aktionäre einstecken mussten, erreichte den Konzern eine brisante E-Mail aus den USA.

Markus Balser

Dem Siemens-Konzern drohen wegen der Schmiergeld-Affäre Millionenstrafen in den USA. Wie das Unternehmen selbst bekanntgab, beschäftigt der Fall inzwischen auch das amerikanische Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC.

Schlechte Nachrichten für Siemens kommen diesmal aus den USA. (Foto: Foto: ddp)

Das Ministerium führe "ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen US-Strafvorschriften", heißt es im Siemens-Quartalsbericht. Zudem gebe es eine informelle Untersuchung der SEC, geht aus dem Papier hervor. Erneut wird zudem Kritik an der Informationspolitik des Unternehmens laut: Bekannt war dem Konzern das Verfahren nach eigenen Angaben schon seit der vergangenen Woche.

Mit dem Verfahren des US-Justizministeriums in Washington sind für Siemens erhebliche Risiken verbunden. Der Korruptionsfall wird zu einer immer größeren Belastung für den Konzern und sein Management. Denn die US-Behörden verfügen über weitreichende Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten.

Im schlimmsten Fall droht Entzug der Wall Street-Zulassung

Im Fall von Bestechung, Schmiergeldzahlungen und schwarzen Kassen können sie sogar die Zulassung an der Börse entziehen. Für Siemens ist das brisant, denn seit dem Frühjahr 2001 sind die Papiere des Konzerns auch an der New Yorker Wall Street notiert.

Dem Konzern drohten zudem Geldbußen, Schadensersatz und der Ausschluss bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, heißt es im Unternehmen. Die Strafen könnten in die Millionen gehen. Die Konzernbilanz träfe das unvorbereitet. Rückstellungen für etwaige Sanktionen habe das Management noch nicht gebildet, weil es bislang die mögliche Höhe der Zahlungen nicht abschätzen könne, heißt es in dem Bericht.

Das Ziel des Konzerns, mit dem Einsatz externer Ermittler eigene Untersuchungen der US-Behörden abzuwenden, ist damit gefährdet. Im Dezember hatte der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates die New Yorker Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton sowie den ehemaligen Watergate-Ermittler Michael Hershman engagiert, um illegale Finanzpraktiken im Konzern aufzudecken.

Noch haben die US-Behörden offenbar keine eigenen Ermittler in die Konzernzentrale entsandt. Nach Angaben aus Konzernkreisen lassen sich die Behörden über die externen Anwälte informieren.

E-Mail kam während der Hauptversammlung

Nach Konzernangaben erfuhr Siemens bereits während der brisanten Hauptversammlung am vergangenen Donnerstag aus den USA vom Verfahren des Justizministeriums. Es soll bereits seit November laufen. Eine entsprechende E-Mail sei erst am Nachmittag eingegangen, sagte ein Sprecher.

Aus dem Aufsichtsrat wurde deshalb Kritik laut. Die Nachricht sei weder bei der Hauptversammlung an die Investoren noch bei einem Treffen des Gremiums danach an die Aufsichtsräte weitergeben worden, hieß es. Der Sprecher wies die neue Kritik an der Informationspolitik des Konzerns zurück. Siemens habe entsprechend der Informationspflichten gehandelt, sagte er. Der Aufsichtsrat hatte auf der Hauptversammlung angekündigt, die Kontrolle des Unternehmens intensivieren zu wollen.

Medizintechnik im Visier

Die Aktivitäten der US-Behörden gehen auf die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft zurück, die seit Mitte November gegen teils aktive, teils ehemalige Siemens-Manager vorgeht. "Es kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass Siemens oder einzelne Mitarbeiter wegen Gesetzesverstößen straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden", teilte Siemens dazu mit. Der Konzern hatte im Dezember dubiose Zahlungen von 420 Millionen Euro eingeräumt.

Derweil droht dem Unternehmen neuer Ärger. Wie aus dem Zwischenbericht zum ersten Quartal ebenfalls hervorgeht, ist die japanische Medizintechniktochter von Siemens ins Visier der japanischen Kartellbehörden geraten.

Wegen des Verdachts möglicher Preisabsprachen bei Ausschreibungen von Krankenhäusern seien neben Büros von Siemens die Räume von mehr als zehn Herstellern und Zwischenhändlern medizinischer Geräte durchsucht worden, hieß es. Erst in der vergangenen Woche verhängte die EU-Kommission gegen die Siemens-Sparte Energieübertragung wegen Preisabsprachen ein Rekordbußgeld von mehr als 400 Millionen Euro.

© SZ vom 03.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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