Hewlett Packard Enterprise:Alles auf Abos

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"Die Kunden wählen, was sie möchten, wie viel sie möchten, wo sie es möchten": HPE-Chef Antonio Neri. (Foto: Richard Drew/AP)

Seit einem Jahr ist Antonio Neri Chef von HPE. Nun stellt er das Geschäftsmodell radikal um. Er will Produkte nicht mehr verkaufen, sondern vermieten.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Natürlich hat Antonio Neri das Rad nicht neu erfunden, das weiß er auch. Und doch steuert der Chef des Technologiekonzerns Hewlett Packard Enterprise (HPE) das Gespräch ganz schnell zu diesem einen, ihm wichtigen Thema. "In drei Jahren", sagt Neri, und er sieht einen dabei an wie ein Kind, das entdeckt hat, dass man nicht mehr jedes neue Computerspiel für 60 Euro kaufen muss, sondern bei einem Abo-Dienst für 15 Euro im Monat Hunderte davon leihen kann: "In drei Jahren, da werden wir alles, was wir haben, als Service anbieten."

Es stimmt schon: Die Menschen, vor allem die jüngeren, wollen lieber Nutzer als Eigentümer sein. Klar sieht eine Regalwand mit Büchern und Schallplatten schick aus, aber wäre es nicht viel effizienter, all die Inhalte in einer Datenwolke zu speichern und sie bei Bedarf jederzeit und von überall aus verfügbar zu machen - und dafür nur einen Bruchteil dessen zu bezahlen, was all die Bücher und Schallplatten kosten würden?

Genau dieses Prinzip will Neri nun auf Unternehmensebene anwenden: Schon von kommendem Jahr an werde HPE seine Produkte nicht mehr nur verkaufen, sondern auch über Abo-Modelle zum Gebrauch anbieten, sagt er. "Die Kunden wählen, was sie möchten, wie viel sie möchten, wo sie es möchten - und sie bezahlen nur, was sie verbrauchen." Er reagiert damit auf Konkurrenten wie Salesforce oder Amazon Web Services (AWS), die traditionelle IT-Unternehmen mit Abo-Angeboten gewaltig unter Druck setzen.

Neri will alles als Dienstleistung anbieten, Server und Software, er hat inzwischen den Slogan "Everything-as-a-service" ausgerufen: "Wir werden ein rein nutzungsorientiertes Unternehmen sein. Das könnte der größte Wandel in der Geschichte dieser Firma sein."

Konkret bedeutet das: Ein Unternehmen soll künftig keine Hardware-Systeme samt zugehöriger Management-Software mehr kaufen, sondern HPE damit beauftragen, all die Systeme in den Rechenzentren dieses Unternehmens zu installieren und zu verwalten. Das ist eine Abkehr vom Gedanken, dass sämtliche Daten in der so genannten "Cloud" gespeichert werden müssten, wie es zum Beispiel Firmen wie AWS, Google oder Azure anbieten. Das Alleinstellungsmerkmal von HPE soll eine Hybrid-Lösung aus internen Rechenzentren und Datenwolke sein. Deshalb hat der Konzern kürzlich den Supercomputer-Hersteller Cray für 1,3 Milliarden Dollar übernommen und zugleich eine Kooperation mit Google im Bereich Cloud-Computing vereinbart.

"Mit dieser Strategie kann HPE relevant bleiben", sagt eine Analystin

"Wir haben festgestellt, dass viele Firmen die heiklen Daten doch gerne in den eigenen vier Wänden behalten", sagt Neri, der das Angebot mit dem Namen Greenlake bereits 2017 gestartet hat und nun erheblich ausbauen möchte. Eigenen Angaben zufolge hat HPE mehr als 600 Kunden weltweit dafür gewonnen und setzte in dem Bereich 2,8 Milliarden Dollar um, etwa zehn Prozent des Gesamtumsatzes. Nun soll das Angebot auf mittelständische Firmen ausgeweitet werden, die Einnahmen auf 30 Prozent des Gesamtumsatzes wachsen: "Wir erfinden keinen neuen Markt, sondern reagieren darauf, dass die Datenmenge auch weiterhin explodieren wird. Diese Daten müssen verarbeitet werden, durch Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Analyse, Modelle, Simulationen."

Neri weiß, wovon er redet. Er hat vor 24 Jahren beim Silicon-Valley-Giganten Hewlett-Packard als Callcenter-Ingenieur in Amsterdam angefangen, er hat sich nach oben gearbeitet und leitet seit Februar vergangenen Jahres HPE, jenes Unternehmen, in das Hewlett-Packard im November 2015 das Geschäft mit den Unternehmenskunden und damit den mit Abstand größten Konzernteil ausgelagert hatte. Vor seiner Berufung zum Vorstandschef hat der inzwischen 52-Jährige unter anderem den Bereich Flex-Capacity geleitet, der nun Greenlake heißt und von dem HPE glaubt, dass er die größten Wachstumschance besitzt.

"Mit dieser Strategie kann HPE relevant bleiben", sagt Jean Atelsek von der Analysefirma 451 Research. Sie glaubt, dass die Konzentration auf Abo-Modelle und vor allem der Zeitplan von lediglich drei Jahren für die komplette Umstellung des Geschäftsmodells zwar sehr kühn, aber nachvollziehbar sei: "Es ist eine Reaktion darauf, was Kunden heutzutage erwarten. Amazon, Microsoft und Google haben mit ihren Netzwerken den anderen das Mittagessen geklaut. HPE bietet eine einfache Lösung, das kann für Kunden sehr attraktiv sein." Das Everything-as-a-service-Modell klingt also verlockend - für die Kunden. Doch wird es sich auch für HPE lohnen? Viele Firmen im Silicon Valley, die Abo-Services anbieten, sind nicht profitabel. "Wir müssen Geld verdienen, das stimmt natürlich. Die Budgets werden nicht größer, und man kann bei einem Abo-Modell schnell reagieren, wenn man kleiner werden muss", sagt Neri. "Wir haben jedoch festgestellt: Niemand wird kleiner, die Daten wachsen, und sie müssen verarbeitet werden. Wir erfinden keinen Markt, den wir dominieren müssen. Wir wollen erfolgreich sein in einem, der weiter wachsen wird. Sagen wir es so: Wer zehn Prozent eines Billionen-Marktes bekommt, der kriegt 100 Milliarden Dollar. Das ist schon sehr viel Geld."

Antonio Neri hat das Abo-Modell nicht erfunden. Und doch glaubt er, dass sein Angebot viele Kunden überzeugen wird. "Es ist gut, dass HPE nicht mit den Hyperscalern Amazon, Microsoft und Google in direkte Konkurrenz tritt, sondern eine eigene Lösung anbietet", sagt Atelsek. Und für all jene Menschen, die nicht nur Nutzer, sondern auch weiter Eigentümer sein möchten: Sie können die Produkte derzeit immer noch kaufen.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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