Hertie-Pleite:Insolvenzverwalter will Sanierungschancen nutzen

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Hertie soll saniert werden - wenn es nach dem Willen des Insolvenzverwalters Bähr geht. Die SPD fordert währenddessen schärfere Regeln für Finanzinvestoren.

Der vorläufige Hertie-Insolvenzverwalter Biner Bähr will den Geschäftsbetrieb der Warenhauskette dauerhaft sichern. "Es geht jetzt vor allem darum, die notwendigen Restrukturierungs- und Finanzierungsmaßnahmen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen", sagte Bähr am Freitag laut einer Mitteilung seiner Kanzlei White & Case. "Das deutsche Insolvenzrecht bietet dafür hervorragende Möglichkeiten."

Insolvenzverwalter Bähr will Hertie sanieren. (Foto: Foto: dpa)

Sanierung für Hertie

Zusammen mit der Geschäftsführung werde er jede Anstrengung unternehmen, um Sanierungschancen zu nutzen und den Geschäftsbetrieb dauerhaft zu sichern.

Gerade jetzt brauche man allerdings die Hilfe aller Beteiligten, besonders der Vertragspartner und Kunden. "Wenn wir es schaffen, ihr Vertrauen zu erhalten, bin ich sehr zuversichtlich, dass mir auch bei Hertie eine Sanierung gelingen wird", sagte Bähr.

Verhandlungen mit potenziellen Investoren aus dem In- und Ausland sollten gemeinsam mit der Geschäftsführung sofort aufgenommen werden. Die Zahlung aller Löhne und Gehälter sei schon jetzt bis einschließlich Oktober sichergestellt.

SPD fordert höhere Steuern für Finanzinvestoren

Unterdessen wächst angesichts des Insolvenzantrags von Hertie in der SPD der Ruf nach schärferen Regeln für Finanzinvestoren und Hedgefonds. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, verlangte in der Bild-Zeitung, Investmentgesellschaften nach Firmenübernahmen steuerlich stärker zu belasten. Damit sollten auf kurzfristigen Profit ausgerichtete Firmenkäufe unattraktiv werden.

Die Union lehnte dies umgehend ab. Damit würde sich Deutschland von den anderen europäischen Volkswirtschaften isolieren, sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Otto Bernhardt. Auch das SPD-geführte Finanzministerium sah keinen Handlungsbedarf.

Wend sagte der Zeitung einem Vorabbericht zufolge, der Fall Hertie zeige den Sittenverfall bei Investoren, der "mit der sozialen Marktwirtschaft nichts mehr zu tun hat". Den "Heuschrecken" gehe es nur um kurzfristigen Profit: "Bei Firmenkäufen sollte die Steuerlast drei bis fünf Jahre so hoch liegen, dass sich die Übernahme nur langfristig lohnt." Bernhardt sagte dagegen: "Wir lehnen einen solchen Eingriff schon aus ordnungspolitischen Gründen ab."

Bürgermeister stemmen sich gegen Schließungen

Das aktuelle Steuerrecht reiche aus um sicherzustellen, dass auch bei den angesprochenen Übernahmen im notwendigen Umfang Steuern gezahlt würden. Wends Vorschlag würde auch Sanierungsübernahmen behindern und die Chancen gefährden, Unternehmungen wieder in geordnete Bahnen zu bringen.

Hertie hatte am Donnerstag Insolvenz angemeldet, nachdem Gespräche über eine finanzielle Neustrukturierung des Unternehmens beziehungsweise eine Zwischenfinanzierung gescheitert waren. Die Firma begründete die Probleme mit der angespannten Lage beim Investor Dawnay Day, der die Kaufhäuser 2005 von KarstadtQuelle übernommen hatte. Insgesamt 4500 Beschäftigte in 73 Hertie-Filialen sind laut der Gewerkschaft ver.Di betroffen.

Trotz Insolvenz der Warenhauskette wollen die betroffenen schleswig-holsteinischen Städte eine Schließung ihrer Filialen verhindern. Dazu haben die Bürgermeister von Rendsburg, Elmshorn, Schleswig, Niebüll, Husum, Mölln und Itzehoe eine Initiative gebildet. Sie forderten am Freitag die Landesregierung in Kiel auf, möglicherweise im Verbund mit weiteren Ländern für Hertie aktiv zu werden.

Zukunft der Innenstädte auf dem Spiel

"Wir wissen, dass NRW darüber nachdenkt, den Konzern mit einer Landesbürgschaft zu stützen. Schleswig-Holstein sollte dem nicht tatenlos zu sehen, sondern sich daran beteiligen", erklärte Rendsburgs Bürgermeister Andreas Breitner für die Initiative.

Es gehe um 316 Arbeitsplätze in den sieben Filialen im Norden, aber auch um die Zukunft der Innenstädte. "Wir brauchen diese Kaufhäuser, um die Versorgungsstrukturen in unseren Mittelzentren zu erhalten", sagte Breitner. Er habe auch Kontakt mit der Konzernspitze in Essen aufgenommen.

Die schleswig-holsteinischen Bürgermeister wollten sich dort aus erster Hand informieren lassen und auf die Verantwortung des Konzerns als wichtiger regionaler Arbeitgeber in Schleswig-Holstein hinweisen.

© sueddeutsche.de/AP/dpa/Reuters/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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