Hertie:19 Warenhäuser vor dem Aus

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Tiefe Einschnitte bei Hertie: Mehr als ein Viertel aller Filialen sollen geschlossen werden - vor allem in Nordrhein-Westfalen müssen die Mitarbeiter bangen.

C. Dohmen u. S. Weber

Die insolvente Warenhauskette Hertie will 19 ihrer 73 Filialen Deutschland schließen. Dies teilte das Unternehmen am Dienstagabend mit. Etwa 650 der rund 3400 Mitarbeiter müssen gehen.

Hertie will 19 seiner 73 Filialen in Deutschland schließen. (Foto: Foto: ddp)

Schlechte Nachrichten gab es bei Betriebsversammlungen vor allem für Mitarbeiter in Nordrhein-Westfalen, wo die meisten Filialen geschlossen werden sollen. Betroffen seien Bocholt, Duisburg-Walsum, Erkrath, Eschweiler, Essen-Altenessen, Essen-Borbeck, Herdecke, Herne, Köln-Chorweiler, Lünen, Marl und Mettmann. In Niedersachsen stehen Hameln und Delmenhorst auf der Liste, in Schleswig-Holstein Niebüll und Mölln, in Bayern Aschaffenburg, in Hamburg das Haus Langenhorn sowie in Hessen die Filiale Kassel.

Sie sollen bis Ende März schließen. Gleichzeitig streicht das Unternehmen in der Essener Zentrale 30 der 125 Arbeitsplätze. An diesem Mittwoch will Hertie die Pläne vorstellen.

Auch die verbleibenden 54 Filialen sind bedroht. Überleben wird Hertie nach Ansicht von Biner Bähr Insolvenzverwalters nur, wenn die Mieten für die verbliebenen 54 Häuser sinken, die Mitarbeiter auf Gehalt oder sonstige Leistungen verzichten und ein Investor gefunden werde.

Als Knackpunkt gelten die Mieter - Hertie zahlt nach eigenen Angaben mit 20 Prozent des Umsatzes viermal mehr als üblich. Dies sei ein Grund für die Insolvenz in der Vergangenheit, so Geschäftsführer Mark Rahmann.

Beim Insolvenzverwalter abgeblitzt

Im vergangenen Jahr habe die Warenhauskette einen Verlust von etwa 50 Millionen Euro gemacht, heißt es. Wegen der Finanzkrise sei der Konsum in den vergangenen Monaten eingebrochen. Schon im Jahr 2007 hatte Hertie bei einem Umsatz von rund 450 Millionen Euro bereits rote Zahlen geschrieben. Vor einem knappen halben Jahr hatte Hertie Insolvenz angemeldet. Allerdings eröffnete der Insolvenzverwalter im November eine neue Filiale im bayerischen Straubing.

Seit der Insolvenz blieben dem Hertie-Übernehmer Dawnay Day nur noch die Immobilien. Das operative Geschäft der Warenhäuser liegt beim Insolvenzverwalter Biner Bähr. Wegen der Finanzkrise stehen die Briten unter starkem Druck und müssen die Immobilien schnell los werden. Das Mandat dafür hat die Berliner Immobiliengesellschaft Atisreal. Rund 400 Millionen Euro sollen die zwischen 1500 und 15.000 Quadratmeter großen Häuser wert sein. Der Verkauf läuft jedoch schleppend. Erst sechs der 64 Häuser sind verkauft. Grund dafür ist die ungewisse Zukunft des Mieters Hertie.

Dawnay Day zufolge waren mehrere Unternehmen als Mieter oder Käufer an den Immobilien interessiert, darunter C&A, Kaufland und Media-Markt Saturn. "Aber der Insolvenzverwalter hat sie abblitzen lassen", so die Briten. Sie werfen Bähr vor, Termine mit Ihnen und der Deutschen Bank nicht wahrgenommen zu haben. Zudem werde seit mehreren Monaten keine Miete gezahlt. Deshalb hatte Dawnay Day Hertie mit Wirkung vom 19. Januar zu kündigen. Das sorgte für Unsicherheit bei Lieferanten.

Als Sprecher der Bürgermeister der Städte mit Hertie-Standorten in Schleswig-Holstein forderte Andreas Breitner (Rendsburg) die Landesregierung dazu auf, eine Auffanggesellschaft zu gründen. "Wir brauchen diese Kaufhäuser, um die Versorgungstrukturen in unseren Mittelzentren zu erhalten."

© SZ vom 28.01.09/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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