Heftige Ausschläge:Strompreise auf Rekordhöhe

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An der Leipziger Strombörse EEX ist der Großhandelspreis für Elektrizität seit Tagen auf Rekordkurs. Experten können sich dies nicht erklären.

Michael Bauchmüller und Hans-Willy Bein

Der Anstieg der Börsenpreise begann Anfang November. Lag der Preis für Grundlaststrom, wie ihn große Kraftwerke permanent ins Netz einspeisen, im Oktober noch bei durchschnittlich 47,52 Euro je Megawattstunde, schnellte er in der Folge zunächst langsam, seit Ende vergangener Woche sprunghaft in die Höhe.

Masten mit Stromleitungen. (Foto: Foto: dpa)

Am Dienstagmorgen notierte er bei 145,97 Euro, gab aber in der Folge leicht nach. Parallel stiegen auch die Preise für Termingeschäfte. Wer sich schon jetzt Strom zur Lieferung im Dezember beschaffen möchte, zahlte für Grundlaststrom am Dienstag 66,75 Euro.

Begründungen für den Anstieg gibt es nur zum Teil. So könne es einen Zusammenhang mit dem Auslaufen von Lieferverträgen geben, heißt es bei der Münchner Eon-Tochter Eon Energie. Weil im Herbst viele Verträge mit Großkunden ausliefen, treffe nun große Nachfrage auf den Markt, sagte ein Unternehmenssprecher. "Es hat nur wenig mit dem Schneechaos der letzten Tage zu tun", sagte er.

Endende Verträge

Auch Marc Ehry, Geschäftsführer des Duisburger Stromhändlers PCC Energy, sieht in endenden Stromverträgen einen Teil des Problems. Viele Lieferanten hätten Verträge gekündigt, um nun zu höheren Preisen neu abschließen zu können. "Diese Verträge werden mit drei Monaten Frist zum Jahresende gekündigt", sagt Ehry. "Dadurch steigt nun die Nachfrage."

Auch der Einkäufer eines Stadtwerks räumt ein: "Wir tappen selbst im Dunkeln." Mit den bekannten Fakten könne die Entwicklung in Leipzig nicht begründet werden.

Ratlos hinterlässt Experten vor allem die Entwicklung am Spotmarkt. Hier werden auch kurzfristig Strommengen gehandelt. "Ein Preisanstieg lässt sich vielleicht noch damit erklären, dass es in Europa kälter geworden ist", sagt Ehry - vergleichbar dem rasanten Preisanstieg im Winter 2002/2003. "Nur war das damals eine wirkliche Kältewelle mit zweistelligen Minustemperaturen."

Knappheit bei der Erzeugung

Andere Experten vermuten eine Knappheit bei der Erzeugung. Mit Gundremmingen, Biblis B und Neckarwestheim 1 sind derzeit drei von 17 deutschen Kernkraftwerken nicht am Netz. In Frankreich liefern fünf Reaktoren keinen Strom. Unklar ist, ob deutsche Kohlekraftwerke so viel Strom erzeugen, wie sie könnten. "Auch diese Unsicherheit über die Erzeugungskapazitäten in Europa treibt die Preise", sagt Oliver Kopp, Handelsexperte beim Mannheimer Energiekonzern MVV Energie.

Dagegen freuen sich die Anbieter regenerativer Energien. "Damit ist Strom aus Wind- oder Sonnenkraft nun günstiger als Strom aus konventionellen Kraftwerken", sagt ein Sprecher des Bundesverbandes Windenergie.

Fraglich ist dagegen der Einfluss des Emissionsrechtehandels. Im Juli galt er als Hauptgrund für die sommerliche Preiserhöhung. Weil vor allem Kraftwerke mit diesen Zertifikaten für den Kohlendioxidausstoß handeln, fließt der Preis der Emissionsrechte auch in den Börsenpreis für Strom ein.

"Unzureichende Wettbewerbssituation"

Nun aber ist es umgekehrt: Emissionsrechte werden billiger, der Großhandelspreis für Strom aber steigt. "Das ist Ausdruck der unzureichenden Wettbewerbssituation in Deutschland", sagte Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. "Die Preise steigen an, obwohl Zertifikate- und Brennstoffpreise gesunken sind." Die Stahlindustrie zählt zu den besonders stromintensiven Branchen.

Für Großabnehmer könnte die jüngste Preisrally ärgerlich werden. Neue Verträge basieren häufig auf den Preisen der europäischen Strombörsen - deren Preise sich derzeit sehr ähnlich bewegen. "Für Neuverträge wird diese Entwicklung den Preis treiben", glaubt Claudia Kemfert, Leiterin der Energieabteilung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Es droht ein Teufelskreis

Dies könne die Preise für Endverbraucher steigern, vor allem aber werde es stromintensive Branchen treffen. "Für die ist das ein Desaster." Nun drohe sogar ein Teufelskreis: Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung könne die Preise weiter treiben, warnt Kemfert. "Wenn die Verträge abgeschlossen sind, können die Preise dann wieder sinken."

Die großen Energiekonzerne hatten bereits zum Jahresbeginn Preiserhöhungen angekündigt. Für Privatverbraucher wird sich die Verteuerung schätzungsweise zwischen sechs und zehn Prozent bewegen. Daran ändern auch die aktuellen Preissprünge nichts mehr, da die Stadtwerke ihren Strombedarf für das kommende Jahr bereits zu mehr als 95 Prozent gedeckt haben und somit jetzt nicht mehr als Einkäufer unterwegs sind.

Bedarf oft schon gedeckt

Das gilt auch für die meisten Industriefirmen mit hohem Strombedarf. Allerdings gibt es nach Einschätzung der Branche noch einige Stromverbraucher in Industrie und Gewerbe, die Bedarf für 2006 haben.

© SZ vom 30.11.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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