Hartz IV:Arbeitsgruppe der Union soll Missstände aufspüren

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Entgegen dem Willen des Koalitionspartners SPD plant die Union eine grundlegende Revision der Hartz-IV-Reform. Bundestagsfraktionschef Volker Kauder soll eine Arbeitsgruppe zur Revision von Hartz IV zusammenstellen.

Nina Bovensiepen und Jens Schneider

"Hartz IV läuft aus dem Ruder", sagte Kauder der Süddeutschen Zeitung. "Das wird zum Glück inzwischen auch bei der SPD so gesehen. Der Vollzug des Gesetzes muss deutlich verbessert werden, aber letztlich muss das ganze Gesetz auf den Prüfstand. Wir müssen die Frage klären, ob falsche Anreize gesetzt werden."

Die "Arbeitsgruppe Revision Hartz IV"soll bis zum Herbst Antworten auf die unvorhergesehene Kostenexplosion suchen. Wie aus dem jüngsten Monatsbericht des Finanzministeriums hervorgeht, lagen die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in diesem Jahr bis April mit 9,2 Milliarden Euro etwa 1,2 Milliarden Euro höher als 2005. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr würde Hartz IV drei Milliarden Euro teurer als veranschlagt.

Damit setzt sich die Union in Widerspruch zu Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Dieser hält eine Generalüberholung von HartzIV nicht für nötig, weil die Grundidee richtig sei. Die Mitglieder der unionsinternen Kommission sollen laut Informationen aus Fraktionskreisen aus den Reihen der Bundesregierung, der Länder und der Bundestagsfraktion kommen.

Eine Runde der Ministerpräsidenten und der Partei- und Fraktionsführung sei sich einig gewesen, dass die Kommission sich mit der Frage beschäftigen müsse, wo Fehlanreize gesetzt werden, die Betroffene davon abhalten könnten, Arbeit zu suchen.

Zudem solle sie Antworten auf das Problem suchen, dass Menschen mit einem Niedriglohnjob häufig nicht mehr verdienen, als Erwerbslose staatliche Hilfe bekommen.

Mängel bei Vermittlung und Kontrolle

Aus der Union werden seit einigen Wochen immer wieder Forderungen nach Korrekturen von Hartz IV laut. Haushaltspolitiker hatten wegen der hohen Kosten Kürzungen bei den Leistungen verlangt. Ein neuer Bericht des Rechnungshofes prangert vor allem bei der Vermittlung und Kontrolle von Arbeitslosen eklatante Mängel an.

Ein Sprecher Münteferings nannte die Ergebnisse eine "Bestätigung dessen, was wir tun". Mit dem so genannten Hartz-Fortentwicklungsgesetz und anderen Korrekturen habe die Bundesregierung gewissermaßen "antizipierend" auf den Bericht reagiert.

Die beschlossenen Änderungen sollen vom nächsten Jahr an zu Milliardeneinsparungen führen. Der SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend sagte, es bleibe wie im Koalitionsvertrag vereinbart dabei, dass die Regierung im Herbst eine "schlüssige Gesamtlösung" für den Arbeitsmarkt vorlegen müsse.

Eine Generalrevision von Hartz IV sei nicht nötig. "Wer das fordert, offenbart die eigene Hilflosigkeit", sagte Wend der Süddeutschen Zeitung. Auch Wend sagte aber, dass die Regierung sich dringend mit dem Problem befassen müsse, dass viele Menschen mit einer niedrig entlohnten Beschäftigung weniger verdienten, als ihnen mit Hartz IV zustehen würde.

Nach Ansicht der Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Brigitte Pothmer zeigt der Rechnungshofbericht, dass nicht die Gesetzgebung das Problem sei, sondern die mangelhafte Umsetzung. "Die Bundesagentur für Arbeit und das Arbeitsministerium haben ihre Aufgaben sträflich vernachlässigt", sagte Pothmer. Die Bundesagentur wies indes darauf hin, dass sie von Anfang an vor unklaren Zuständigkeiten bei der Vermittlung und Betreuung von Arbeitslosen gewarnt habe.

In vielen Arbeitsgemeinschaften in Kommunen sei nach wie vor ungeklärt, wer die Verantwortung trage. Dies gefährde die "Erfolgsfähigkeit" der Reform. Sie erwarte "eine eindeutige Klärung der Führungsverantwortung" und biete an, "selbst die Verantwortung für die Arbeitslosen zu übernehmen, wo die Kommunen sich nicht dazu bereit erklären."

© SZ vom 25.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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