Großunternehmen in Not:Opel und das Paradies

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Retter vom Dienst: Im Wahlkampf geht es vor allem um Jobs - daher wird die große Koalition noch mehr angezählten Betrieben helfen.

Nico Fried

Franz Müntefering hat gesprochen: Wer den Handelskonzern Arcandor pleitegehen lassen wolle, der müsse auch in die Kaufhäuser gehen und diese Entscheidung der Kassiererin bei Karstadt ins Gesicht sagen. Die Angestellten dürften nicht für die Fehler der Manager bestraft werden. Also hat der SPD-Vorsitzende entschieden, dass der Staat nach Opel auch Arcandor helfen müsse. Punkt.

So sieht es aus, das Paradies: Die Cook-Inseln in der Südsee. (Foto: Foto: dpa)

Über Müntefering wird gern geschrieben, für ihn sei Politik vor allem Organisation. Wenn das stimmte, würde der SPD-Chef akzeptieren, dass die große Koalition für die Gewährung von Bürgschaften Regeln erarbeitet hat, nach denen geprüft wird, ob und wie man einer Firma hilft. Union und SPD haben das "Rettungsübernahmegesetz" geschaffen, um an diesem Dienstag die Skandalbank HRE zu verstaatlichen; und sie haben den "Wirtschaftsfonds Deutschland" errichtet, um Firmen wie Opel und Arcandor zu helfen. Wenn nötig.

Parteipolitiker wie Müntefering aber brauchen keine Prüfungs-, Lenkungs- oder sonstige Ausschüsse, um festzustellen, dass eine Bürgschaft notwendig und zukunftsträchtig erscheint. Ihnen genügt der Blick auf den Kalender, auf dem für nächsten Sonntag die Europa-Wahl vermerkt ist - und für den 27. September die Bundestagswahl. Ihre Argumente sind trotzdem unlogisch: Wenn keiner mehr unter Fehlern eines schlechten Managements zu leiden haben soll, dann gibt es - zu Ende gedacht - kein Risiko mehr für niemanden. Dann kann ein Firmenvorstand schalten und walten, wie er will, wenn's schief geht, kommt die Koalition und hilft. Wegen der Jobs. Das klingt sozial, hat mit sozialer Marktwirtschaft aber nichts zu tun. Es ist das Paradies. Das Wahlkampf-Paradies.

Dabei ist genau dies das Problem mit allen staatlichen Hilfen für darbende Unternehmen: Wie viel ist Krise? Wie viel ist Missmanagement? Wie viel Perspektive hat ein Betrieb, wenn man ihm hilft? Und was kann der Staat sich leisten? Opel ist einerseits ein Präzedenzfall, weil Bund und Länder erstmals in dieser Krise den Kredit für eine große Firma aus der Realwirtschaft verbürgen. Opel ist zugleich auch ein Sonderfall, weil die Verflechtungen mit dem Mutterkonzern General Motors so kompliziert sind, dass man die deutsche Tochter nicht sich selbst überlassen konnte. Die Koalition hat sich deshalb vernünftig verhalten und in der Sache auch viel geeinter, als es nach draußen erscheinen mag.

Die Kanzlerin kann es verschmerzen, dass die SPD diese vorläufige Rettung nun auf ihre Fahnen schreibt. Sie ahnt, dass solche Unterscheidungen den Bürgern ziemlich egal sind. Arcandor ist nun der nächste Fall, wieder mit Besonderheiten, die einfache Antworten verbieten. Merkel, Finanzminister Peer Steinbrück, ja sogar Kanzlerkandidat Steinmeier äußern sich vorsichtig, ohne Festlegungen. Nur Franz Müntefering hat schon entschieden. Vielleicht sollte ihn mal einer daran erinnern, dass er gar nicht mehr in der Regierung sitzt.

© SZ vom 02.06.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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