Griechenland:"Wir hatten keine Wahl"

Lesezeit: 2 min

Athen bringt auf Druck der Gläubiger ein neues Sparpaket auf den Weg. Zunächst sollen ab 2019 die Renten um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Der Plan trifft hauptsächlich die Mittelschicht und stößt auf großen Widerstand.

Von Mike Szymanski, Athen

Der griechischen Regierung steht eine weitere Zerreißprobe bevor. Am Wochenende legte Finanzminister Euklid Tsakalotos hat dem Parlament ein neues hartes Sparprogramm vor, von dem vor allem Rentner und die Mittelschicht betroffen sind. Das Reformpaket über bis zu 4,9 Milliarden Euro ist Voraussetzung für weitere Hilfen durch die Gläubiger des Landes, das im Juli mehr als sieben Milliarden Euro benötigt - oder pleite geht.

In einem ersten Schritt sollen ab 2019 die Renten um bis zu 18 Prozent gekürzt werden, ab 2020 soll dann der jährliche Steuerfreibetrag von 8636 Euro auf 5700 Euro gesenkt werden. Das Parlament soll das Sparprogramm am kommenden Donnerstagabend billigen. Das könnte schwierig werden, denn Regierungschef Alexis Tsipras hat nur eine knappe Mehrheit im Parlament. Die Gewerkschaften kündigten bereits umfangreiche Streiks an.

Die Geldgeber hätten kein Verständnis für den Alltag in der Krise, sagt die Sozialministerin

Arbeits- und Sozialministerin Efi Achtsioglou, die maßgebliche Teile des Pakets mitverhandelt hat, zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass ihre Regierung im Parlament die Mehrheit erhält. Sie sagte der SZ, die Abgeordneten ihrer Partei hätten verstanden, dass die Rentenkürzungen und die Steuererhöhungen Teil eines Gesamtpaktes seien. Was an einer Stelle aus dem System genommen werde, werde der Gesellschaft an anderer Stelle zurückgegeben. Die Ministerin machte allerdings klar, dass Athen bei den Verhandlungen keinen Spielraum hatte, die Rentenkürzungen zu verhindern. Ihre Aufgabe sei es gewesen, die Kürzungen so milde wie möglich umzusetzen. "Zwei Drittel der Rentner werden nicht betroffen sein", sagte die Ministerin. Dieses Mal werde bei den Bezügen von Alt-Rentnern gekürzt, jene Gruppe, die Athen bei der jüngsten Rentenreform 2016 noch verschonen konnte.

Damals habe Griechenland das Sozialsystem zukunftsfest gemacht. Die Ministerin kritisierte, dass die internationalen Geldgeber dennoch auf weitere Einschnitte im Rentensystem bestanden hätten. "Die Kürzungen für das Jahr 2019 waren weder nötig noch hatten wir eine Wahl." Im Gegenzug fordert sie, dass die Kreditgeber nun endlich in die Diskussion um Schuldenerleichterungen einsteigen.

Aus ihrer Sicht hätten die Geldgeber auch nach sieben Jahren Rettungspolitik noch kein Gefühl für das Alltagsleben vieler Griechen in der Krise entwickelt. "Als wir die Rentenreform 2016 diskutiert hatten, versuchten wir die Geldgeber davon zu überzeugen, dass ein junger Anwalt, ein junger Arzt, nicht genug Geld verdient, um seine Beiträge zu zahlen. Sie konnten das absolut nicht akzeptieren. Sie konnten nicht verstehen, wie ein junger Arzt, ein junger Anwalt - für sie die Creme de la Creme der Gesellschaft - arm sein kann." Gerade jene würden durch die neuen Maßnahmen zur Kasse gebeten, weil der Steuerfreibetrag gesenkt werden soll.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: