Griechenland:Skandal um falsche Haushaltszahlen weitet sich aus

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Der neue Wirtschaftsminister wirft der im Frühjahr abgelösten sozialistischen Regierung vor, sie habe große Ausgaben einfach vertuscht. Die Europäische Zentralbank spricht von einem "enormen Problem".

Von Alexander Hagelüken und Ulrich Schäfer

Die Regierung in Athen bestätigte einen Bericht der Süddeutschen Zeitung, wonach das Land seit 2000 durchgehend zu niedrige Defizite gemeldet und in Wahrheit mindestens vier Jahre hintereinander die Drei-Prozent-Grenze verletzt hat.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, sprach von einem "enormen Problem".

Unsichtbare Bomber

Der neue Wirtschaftsminister Giorgos Alogoskoufis warf der im April abgelösten sozialistischen Regierung vor, sie habe große Ausgaben einfach vertuscht.

"Sie haben vergangenes Jahr 45 Kampfbomber gekauft. Der Betrag für diesen Kauf tauchte nirgendwo auf", sagte der konservative Politiker am Mittwoch im Parlament.

Nach seinen Angaben hat das Land in beispielloser Weise gegen den Stabilitätspakt verstoßen, der die Währungsunion von zwölf europäischen Nationen zusammenhalten soll.

Die Sozialisten meldeten stets Haushaltslöcher unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung. In Wahrheit lägen die Defizite bei 4,1 Prozent 2000, je 3,7 Prozent 2001 und 2002, 4,6 Prozent 2003 und 5,3 Prozent in diesem Jahr.

Die Drei-Prozent-Regel soll verhindern, dass einzelne Mitglieder der Währungsunion auf Kosten aller Staaten zu hohe Schulden aufnehmen. Griechenland hat Gesamtschulden von mehr als 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, mit die höchsten in der Eurozone.

"Wir müssen rausfinden, was falsch gelaufen ist, sowohl in Athen wie beim EU-Statistikamt Eurostat", ließ der Vorsitzende der EU-Finanzminister, der Niederländer Gerrit Zalm, erklären. "Es sind Regeln nötig, damit das nicht wieder passieren kann."

Regierungen meiden die Debatte

In Berliner Regierungskreisen wird moniert, der Fall Griechenland werfe "riesige Fragen" auf. So sei es "höchst bedenklich", dass die Brüsseler Kommission die jahrelange Trickserei nicht selber bemerkt habe.

Die Höhe der jährlichen Neuverschuldung und die Entwicklung der Gesamtschulden hätten schon in der Vergangenheit nicht zusammen gepasst.

Unterdessen wird der Ruf immer lauter, auch die Etatzahlen von 1998 und 1999 zu prüfen, die Griechenland mit Verspätung den Beitritt zum Euro erlaubten. "Es wäre eine gute Idee, wenn die Griechen dies prüfen würden", ließ Zalm erklären.

Der EU-Abgeordnete Alexander Radwan (CSU) forderte, "jetzt muss geklärt werden, ob die Griechen nur durch Trickserei in die Währungsunion gelangt sind". Aus der Bundesregierung hieß es, es sei durchaus möglich, dass auch die früheren Zahlen falsch seien.

Athen habe die nun kritisierten Methoden der Datenerhebung schon lange benutzt. EU-Abgeordnete wie Heide Rühle (Grüne) forderten Sanktionen gegen das Land. "Die Regeln müssen so geändert werden, dass Strafen möglich sind."

In EU-Hauptstädten wurde deutlich, dass die Regierungen die Debatte scheuen, ob Athen zu Recht in die Währungsunion gelangte. "Diesen politischen Sprengstoff will niemand anfassen", heißt es.

© SZ vom 23.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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