Griechenland: Ringen um Nothilfe:Helle Panik um Hellas

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Während die Politik noch berät, was zu tun sei, nehmen die Finanzmärkte das Chaos vorweg: Sie lassen Griechenland fallen. Die Kreditwürdigkeit des Landes wurde auf "Ramsch" heruntergestuft, Anleihenkurse und Aktien brechen ein. Stattdessen kaufen die Anleger wie von Sinnen deutsche Anleihen.

Was alle befürchtet haben, tritt nun ein: Die Finanzmärkte geraten in Panik. Nachdem am späten Dienstagnachmittag die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes auf "Ramsch" absenkt hatte, brach am Anleihemarkt Entsetzen aus.

Die Lage für Griechenland ist bedrohlich: Die Anleger verlieren jegliches Vertrauen.Im Bild: Ein Plakat für die Demonstrationen am 1. Mai. (Foto: Foto: Reuters)

Die Renditen für griechische Staatsanleihen schnellten sofort auf neue Rekordhöhen. Die sogenannte Zitterprämie für Papiere mit zweijähriger Laufzeit lagen teilweise bei rund 17 Prozent.

Für ein Land ist das verheerend. Viele institutionelle Anleger dürfen in derart spekulative Anleihen überhaupt nicht mehr investieren, sie können nicht mehr bei der EZB als Sicherheit hinterlegt werden und die Zinsen, die Griechenland nun zahlen muss, sind enorm.

Auch am griechischen Aktienmarkt brachen die Kurse erneut ein. Die Athener Börse gab um sechs Prozent nach.

Die Botschaft der Finanzmärkte ist klar: Die Anleger gehen davon aus, dass nicht nur die Steuerzahler, sondern nun doch auch sie an den Folgen der Krise Griechenlands beteiligt werden.

Auch an den übrigen Börsen ging es teils steil abwärts. Der Dax brach um fast drei Prozent ein, an der Wall Street gab der Dow Jones im frühen Geschäft rund anderthalb Prozent nach.

Die Kurse der deutschen Anleihen zogen allerdings enorm an - sie sind für die Anleger derzeit der rettende Hafen. Die Umlaufrendite aller öffentlichen Anleihen fiel schon gegen Mittag auf das Rekordtief von 2,68 Prozent, die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe lag am Abend bei 2,93 Prozent.

Der Kurs des Euro rutschte nach der Herabstufung Griechenlands ebenfalls ab und notierte am Dienstagabend bei 1,32 Dollar.

Entscheidende Phase

Das Ringen um die Milliarden-Finanzhilfe für Griechenland geht unterdessen in die entscheidende Phase. Die Bundesregierung will am Mittwoch in einem geheimen Abstimmungsgespräch das weitere Vorgehen in der Griechenland-Krise beraten.

Zudem sind der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sowie der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) in Berlin.

In einer emotionalen Rede rief Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou seine Landsleute zum Zusammenhalt auf: "Griechenland geht durch eine der schwierigsten Phasen seiner Geschichte. Die Beschlüsse, die jetzt gefasst werden müssen, werden von schwerwiegender Bedeutung auch für die kommenden Generationen sein", sagte er in Athen.

Das Finanzministerium in Berlin arbeitet unterdessen mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf für die deutsche Beteiligung an den geplanten Milliarden-Hilfen.

Die Bundesregierung lässt darin allerdings die Dauer der geplanten Bundesbürgschaft für den in Aussicht gestellten Hilfskredit an Griechenland offen.

Im einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Gesetzentwurf heißt es lediglich, das Bundesfinanzministerium werde zu Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 8,4 Milliarden Euro für Kredite ermächtigt.

In dem nur zwei Paragraphen umfassenden Entwurf eines "Gesetzes zur Erhaltung der Stabilität der Währungsunion" wird zudem keine Aussage getroffen über mögliche weitere Kredite 2011 und 2012.

Geplant ist, dass die staatliche Förderbank KfW der griechischen Regierung einen Kredit für zwölf Monate gewährt, der durch eine Bürgschaft des Bundes abgesichert ist. Das Gesetz soll die dazu notwendige Gewährleistungsermächtigung erteilen.

Der deutsche Kredit ist Teil eines Hilfspaketes über 30 Milliarden Euro der 15 Euro-Partner Griechenlands und des Internationalen Währungsfonds (IWF), der weitere 15 Milliarden Euro beisteuern soll. Der Freigabe der von Griechenland beantragten Hilfe müssen noch die Staats- und Regierungschefs der Euroländer zustimmen.

Einer Reuters vorliegenden schriftlichen Unterrichtung der Regierung für die Bundestagsfraktionen zufolge sollen die Staats- und Regierungschefs möglichst am 10. Mai bei einem Sondergipfel oder in einer Telefonkonferenz zustimmen.

Darauf hätten sich Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank am Rande des IWF-Treffens am vergangenen Wochenende in Washington geeinigt.

Dem Zeitplan zufolge sollen die derzeit laufenden Verhandlungen der griechischen Regierung mit dem IWF und der EU-Kommission über ein Sparpaket für 2011 und 2012 am 2. Mai abgeschlossen werden. Am 4. Mai sollen die Euro-Finanzminister in einer Telefonkonferenz das Verhandlungsergebnis bewerten.

Das griechische Parlament soll demnach am 6. und 7. Mai über das Sparprogramm abstimmen. Die erste Tranche des Hilfskredites soll vor dem 19. Mai ausgezahlt werden. An dem Tag steht eine Milliardenumschuldung der griechischen Regierung an.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat angekündigt, die Bundesregierung werde den Gesetzgebungsprozess in Deutschland nach dem Ende der Verhandlungen in Athen einleiten. Zurzeit bemüht sich die Regierung um ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren, um den deutschen Kreditanteil fristgerecht bereitstellen zu können. Die Gelder sollen anteilig ausgezahlt werden, also nicht einzeln je Land hintereinander.

In Koalitionskreisen hieß es, im Gesetzgebungsprozess könne es noch zu Änderungen oder zu Ergänzungen des Entwurfes kommen. Begründet wird das Gesetz mit dem Erhalt der Finanzstabilität im gesamten Euro-Währungsgebiet.

Auch für Portugal ist die Lage bedrohlich: Die Ratingagentur Standard & Poor's stufte die Kreditwürdigkeit des Landes am Dienstag auf A- herab. Portugal stehe "erweiterten Risiken" gegenüber, erklärte Standard & Poor's zur Begründung.

(Foto: Graphik: sueddeutsche.de)

Portugal gilt mit einem Haushaltsdefizit von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nach Griechenland als eines der von der Wirtschaftskrise am meisten gefährdeten Mitglieder der Eurozone.

Die Differenz zwischen den Zinsen auf zehnjährige portugiesische Staatsanleihen zu denen auf Bundesanleihen stieg am Dienstag auf 5,51 Prozentpunkte. Das ist die höchste Differenz seit der Euro-Einführung.

Der Wirtschaftswissenschaftler Carlos Andrade von der Banco Espirito Santo machte am Dienstag Spekulanten für die Probleme des Landes verantwortlich. Die sozialistische Regierung hat im März ein Sparprogramm vorgelegt, um das Haushaltsdefizit wieder unter Kontrolle zu bringen.

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