Griechenland-Hilfen:Von wegen Zusage

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Der IWF sieht viele Hürden für Athen-Hilfen. Griechenland müsse in der Lage sein, seine Schulden langfristig tragen zu können.

Von Cerstin Gammelin, Claus Hulverscheidt, Washington

Anders als von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) behauptet, hat der Internationale Währungsfonds nicht zugesagt, das dritte Kreditprogramm für Griechenland finanziell zu unterstützen. "Wir haben noch keine Vereinbarung erreicht", sagte David Lipton, Erster Vize-Chef des Fonds der Süddeutschen Zeitung. Zwar arbeite der IWF "auf Wunsch der Europäer und der deutschen Bundesregierung" daran, mit den Partnern Konditionen zu vereinbaren, unter denen er Griechenland unterstützen könnte. Dafür seien allerdings ökonomische Wegmarken zu definieren sowie politische und finanzielle Verpflichtungen zu unterschreiben. Lipton betonte, der IWF verlange weiterhin Schuldenerleichterungen. Es gehe nicht um einen Schuldenschnitt. Athen müsse aber in der Lage sein, seine Schulden langfristig tragen zu können. Der IWF-Vize dementierte die Behauptung Schäubles, wonach sich der Fonds bereits verpflichtet hat, dem griechischen Kreditprogramm bis Ende des Jahres beizutreten. "Der IWF lässt sich keine Fristen setzen".

Damit droht Schäuble ausgerechnet im Wahljahr Ungemach in den eigenen Reihen. Er hat im Bundestag die Beteiligung des IWF am dritten Kreditprogramm fest zugesagt. Die ersten Unionsabgeordneten begehren bereits auf: Sie wollen für den Fall, dass der IWF tatsächlich außen vor bleibt, den Bundestagsbeschluss zum dritten Griechenland-Programm für nichtig erklären lassen und erneut abstimmen.

Lipton zufolge fanden am Rande der Herbsttagung des IWF am vergangenen Wochenende in Washington diverse Gespräche statt, um die Verhandlungen voranzutreiben. Sie sollen fortgesetzt werden. Schäuble traf Christine Lagarde, geschäftsführende Direktorin des IWF, zu einem vertraulichen Gespräch. Offiziell bestreitet der Finanzminister, dass es Streit um die Beteiligung des Fonds an Kredithilfen gibt. "Frau Lagarde und ich haben überhaupt keinen Streit", sagte Schäuble. "Die Sache ist völlig klar". Das Management des Fonds habe sich verpflichtet, dem IWF-Direktorium die Teilnahme zu empfehlen.

Der IWF wird in den kommenden zwei Wochen ein Team nach Athen senden, um zu prüfen, wie die Regierung die Verpflichtungen aus dem dritten Programm umsetzt. Die Experten kritisieren, dass entscheidende Reformen wie die des Rentensystems sowie der Einkommenssteuer nicht angegangen sind. Sie bezweifeln, dass die Regierung die öffentliche Verwaltung modernisieren kann und fordern, eine Arbeitslosenversicherung und ein Sozialsystem einzuführen. Der IWF wird bis Ende des Jahres erneut Schuldentragfähigkeit des Landes prüfen und danach über sein Engagement entscheiden.

An diesem Montag beraten die Finanzminister der Euro-Staaten, ob Griechenland die nächste Tranche von 2,8 Milliarden Euro aus dem laufenden Kreditprogramm ausgezahlt bekommt. Schäuble wollte sich in Washington dazu nicht äußern. Der Bericht der Prüfer vor Ort werde erst am Sonntag vorliegen, sagte er. Es zeichnet sich aber ab, dass sich die griechische Regierung erneut bei der Umsetzung besonders dringlicher Maßnahmen verspätet hat. Ein Aufschub der Zahlung gilt als nicht dramatisch, da die Regierung von Premierminister Alexis Tsipras nicht unter akuter Finanznot leidet.

Das dritte Kreditprogramm für Athen war im August 2015 verabschiedet worden. Es ist auf drei Jahre befristet und umfasst Kredite bis zu 86 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsfonds ESM, die gegen Auflagen ausgezahlt werden können. Der IWF ist daran nicht beteiligt. Allerdings hat der Bundestag das Programm nur gebilligt, weil Schäuble dessen Beteiligung glaubhaft versichert hat. Aber auch ohne IWF haben die Euro-Finanzminister bisher 29 Milliarden Euro auszahlen lassen. Experten zufolge kann Athen bis Juni 2017 ohne weitere Zahlungen finanziell überleben. Danach könnte die Regierung wegen der Fälligkeit größerer Kredite in Zahlungsnot geraten. Es wäre genau in der heißen Phase des deutschen Bundestagswahlkampfs.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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