Grenzwerte für Autoabgase:Aufschub für die S-Klasse

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Die deutschen Autohersteller sind empört über die EU-Pläne, die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß zu senken: Sie warnen vor dem Verlust Tausender Arbeitsplätze - und hoffen deshalb auf einen Kompromiss.

Alexander Hagelüken

Der Streit beginnt, ganz klassisch, mit einem gebrochenen Versprechen. 1999 gelobten Europas Autohersteller, die Abgase ihrer Neuwagen bis Ende nächsten Jahres deutlich zu reduzieren.

Kohlendioxid-Ausstoß und Norm-Verbrauch - ausgewählte Pkw im Vergleich (Foto: SZ-Grafik: Braun)

Schon heute lässt sich absehen, dass sie dieses Ziel deutlich verfehlen werden. Deshalb will ihnen EU-Umweltkommissar Stavros Dimas nicht mehr gestatten, Klimaschutz per freiwilliger Selbstverpflichtung zu betreiben. Er schlägt ein Gesetz vor - quasi eine Zwangsmaßnahme für saubere Luft.

Binnen weniger Tage hat sich daraus ein typischer Großkonflikt zwischen Ökologie und Ökonomie entwickelt. Dimas gefährde allein bei DaimlerChrysler 65.000 Arbeitsplätze, behauptet dessen Betriebsratsvorsitzender, Erich Klemm.

Die Gegenseite ist um beeindruckende Zahlen ebenso wenig verlegen wie der Stuttgarter Gewerkschafter. Kommissar Dimas sagt Schäden in Billionenhöhe voraus, falls Europa die Erderwärmung nicht stoppe.

Der Grieche im Brüsseler Ökoressort will den globalen Temperaturanstieg durch Treibhausgase auf etwa zwei Grad beschränken. Kletterten die Thermometer höher, drohten Überschwemmungen und Dürren. Südeuropa müsse sich in einigen Jahrzehnten auf Zehntausende Todesopfer einstellen.

Um die zwei Grad zu erreichen, hält Dimas Veränderungen in der Autobranche für unverzichtbar. Schließlich sind die Kohlendioxid-Emissionen (CO 2 ) in der EU seit 1990 insgesamt gefallen, im Straßenverkehr jedoch um ein Viertel gestiegen. Deshalb will Dimas den Pkw-Herstellern vorschreiben, den CO 2 -Ausstoß ihrer Neuwagen bis zum Jahr 2012 um ein Viertel zu senken.

Drängen auf sparsamere Motoren

Aber wie? Der Kommissar denkt in erster Linie an Technik, welche die Hersteller entwickeln und einbauen müssten. Etwa an serienmäßige Indikatoren, die vor einem benzinschluckenden niedrigen Reifendruck warnen. Und vor allem an sparsame Motoren.

Das aber kommt zu teuer, argumentiert die Autoindustrie; die nötigen Veränderungen kosteten mindestens 2500 Euro pro Neuwagen, im Fall der Großlimousinen von BMW, Mercedes und Audi sogar noch erheblich mehr. Summen sind das, die den Druck auf die deutschen Hochlohn-Standorte erhöhen: "Eine Abwanderung zahlreicher Arbeitsplätze wäre die Folge", schreiben die deutschen Autobosse in einem Brandbrief an die europäische Kommission.

In Brüssel haben sie längst Unterstützer gefunden. Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) und andere warnen davor, eine der größten europäischen Wirtschaftsbranchen zu stark zu belasten. Zwar würde das Klimadiktat auch für Autos asiatischer und amerikanischer Herkunft gelten. Doch europäische Firmen wären besonders betroffen, argumentiert Verheugen.

Der Deutsche propagiert den sogenannten integrierten Ansatz. Sparsame Motoren sollen nur zu 25 Prozent dazu beitragen, das Abgasziel 2012 zu erreichen. Den Rest sollen Maßnahmen der Mitgliedsstaaten erbringen - zum Beispiel Tempolimits, der Bau benzinsparender Kreisverkehre statt Ampeln oder Öko-Fahrtraining. Den größten Beitrag erhofft sich Verheugen davon, dass die Europäer künftig mit mehr Biosprit fahren.

Gegen sauberes Benzin hat der Umweltkommissar naturgemäß auch nichts. Doch er fürchtet, dass der Erfolg der nationalen Maßnahmen schwer zu messen sein wird. Wie lässt sich schon ermitteln, wie viele Europäer Öko-Fahrkurse besuchen und ob sie danach wirklich die Gangschaltung benzinsparend betätigen? Motortechnik dagegen ist ein sicherer Indikator dafür, wie viele Abgase ein Wagen in die Luft bläst.

Gabriel und seine Sympathien für den Umweltkommissar

Es zeichnet sich ab, dass sich Dimas mit seinen Bedenken nur zum Teil durchsetzen wird. Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ließ zwar am Montag erklären, die EU-Behörde wackele nicht. Trotz des massiven Drucks der Autoindustrie will Barroso das Abgasziel von 120 Gramm pro Kilometer 2012 per Richtlinie festschreiben - und diesen Plan am kommenden Mittwoch beschließen. Doch im Gesetz könnten viele der nationalen Maßnahmen stehen, die Verheugen vorschlägt und Dimas mit Skepsis betrachtet.

Noch bevor die europäische Kommission also überhaupt einen Beschluss gefasst hat, hat sich der Streit bereits auf die nationalen Hauptstädte ausgeweitet. Und der Druck auf Stavros Dimas nimmt zu. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lässt Sympathien für den Umweltkommissar erkennen, hält eine Anrechnung des Biosprits aber ebenfalls für sinnvoll.

Und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) schwingt sich zum Anwalt der Autoindustrie auf: "Die Pläne von Dimas müssen dringend gestoppt werden." Die deutsche Autoindustrie mit ihren großen Modellen hat ein besonderes Problem, eine CO 2 -Vorgabe von 120 Gramm zu erreichen.

Ein S-Klasse- Mercedes stößt weit mehr aus als ein französischer oder italienischer Kleinwagen. Diese Differenzen wurden in der Klima-Selbstverpflichtung der Autohersteller überdeckt - und das zugunsten der Deutschen, geben viele Fachleute zu bedenken. Franzosen und Italiener leisteten mehr, um den Durchschnitt zu erreichen.

Jetzt fürchtet die deutsche Autoindustrie, Brüssel könnte eine CO 2 -Vorgabe von 120 Gramm pro Hersteller vorschreiben - das wäre das Ende des S-Klasse. Zwar hat Dimas einen solchen Vorschlag gar nicht unterbreitet. Er setzt darauf, dass sich die europäischen Hersteller wie bisher untereinander verständigen, wie sie das Ziel erreichen. Doch die spezielle Situation der Deutschen erklärt, warum diese besonders teure Veränderungen erwarten - und so starken Druck ausüben.

Nun springen den Herstellern auch noch Gewerkschafter wie IG-Metall-Chef Jürgen Peters zur Seite. Diese Koalition aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern des größten EU-Mitglieds dürfte das Brüsseler Gesetz in ihrem Sinne beeinflussen.

© SZ vom 30.01.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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