Google:Schnell, schneller

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Eine Smartphone-Nutzerin in der Pariser Métro. (Foto: Yoan Valat/dpa)

Surfen auf dem Smartphone dauert vielen zu lang, deshalb verkürzt der Konzern nun die Wartezeiten.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Google hat keine Sekunde zu verlieren. Der Konzern hat ein neues Projekt vorgestellt, mit dem sich mobile Webseiten schneller laden lassen. Es heißt Accelerated Mobile Pages (AMP) und soll die Ladezeit von zwei bis drei Sekunden auf Millisekunden verkürzen. Technisch gesehen müssen Webseiten ihren Code drastisch einstampfen, wenn sie an AMP teilnehmen wollen. Die Seite wird dadurch kleiner und schneller aufrufbar.

Für das Projekt hat Google bereits namhafte Partner gewinnen können: zum Beispiel Buzzfeed, die New York Times, Zeit Online, das soziale Netzwerk Twitter, das Karriere-Netzwerk Linkedin und die Blog-Plattform Wordpress. Starten soll das AMP-Programm ab 2016. Wer auf seinem Smartphone diese Seite ansurft, kann Probe-Ergebnisse sehen oder alternativ eine Animation anschauen.

Menschen, die mit ihrem Smartphone ins Netz gehen, können nun kurz innehalten und sich vom "World Wide Wait" verabschieden. Den Begriff führt die Webseite für Internet-Jargon, das Urban Dictionary, seit Oktober 2007 - passenderweise hatte Steve Jobs kurz zuvor das erste iPhone auf den Markt gebracht.

Webseiten auf Smartphones aufzurufen ist seit jeher ein Übel, netter kann man es nicht formulieren. Google will das nun ändern. Das hat auch damit zu tun, dass Facebook und Apple kürzlich einen ähnlichen Schritt getan haben (dazu weiter unten mehr), vor allem aber geht es darum, dass Smartphones für Google eine extreme Herausforderung darstellen.

Die Firma verdient ihr Geld vor allem mit Werbung. Anzeigen werden neben passenden Suchanfragen eingeblendet oder durch Werbe-Netzwerke auf Drittseiten (auch auf SZ.de). Das Unternehmen Google gibt es seit 1998. Ein Urgestein, das am besten im alten Internet funktioniert, also auf Desktop-PCs. Dort sind die Ladezeiten schnell, Schreibtisch-Nutzer beschweren sich seltener als Mobilnutzer, die Anzeigen bringen Google gutes Geld.

Auf Smartphones hingegen sind die Ladezeiten lang, oft verursacht durch das Einblenden von Werbung. Zwar verdient Google auch hier Geld, es ist aber unklar, wie viel. Analysten von Goldman Sachs zufolge sollen es etwa 20 Prozent des Umsatzes sein. Für Google sind schnelle Ladezeiten für mobile Webseiten wichtig, denn mittlerweile nutzen in einigen Ländern mehr Menschen den Dienst auf ihrem Smartphone als auf dem Rechner. Google selbst nennt Japan und die USA als Beispiele, der Marktanteil soll in beiden Ländern bei jeweils mehr als 60 Prozent liegen, Tendenz steigend.

Je schneller Seiten laden, desto aktiver sind die Nutzer

Eine Analyse der Seite Parse.ly zeigt, wie wertvoll jede Sekunde für Google ist. Die Firma schlüsselt auf, über welche Links Menschen auf die Webseiten von insgesamt 400 Medienhäusern kommen. Ihre Antwort: Facebook ist mittlerweile wichtiger als Google. Andere Analysen zeichnen ein Bild, das noch düsterer ist.

"Wir haben Nutzer dazu erzogen, zweimal zu überlegen, ob sie einen Link anklicken", zitiert die Webseite Buzzfeed Richard Gingras, der Google News leitet. Denn natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Inhalt. Je schneller die Ladezeit, desto mehr Inhalt wird konsumiert.

Googles Vorstoß kommt nicht von ungefähr: Vor Kurzem hat Facebook sein Projekt "Instant Articles" vorgestellt. Ausführlich ließ man sich über die langen Wartezeiten aus, die Nutzer erdulden müssen. Die Lösung: Inhalte sollen direkt bei Facebook liegen, Wartezeit gibt es praktisch keine mehr. Apple hat in seinem neuen Betriebssystem ein vergleichbares Produkt. Es heißt Apple News und zielt ebenfalls darauf ab, bloß keine Ladezeiten zu verursachen. Mehrere Medienhäuser nehmen an beiden Projekten teil.

Auch Google hat zum Start von AMP große Medien ins Boot geholt. Das AMP-Projekt ist quelloffen, das heißt: Jeder Webseitenbetreiber kann AMP einbetten. Den Code gibt es auf Github, einer Seite, auf der sich Programmierer austauschen.

Googles Hoffnung ist, dass ausreichend Webseiten mitmachen. Sollte das passieren, werden sich die Nutzer an schnelle Ladezeiten auf Smartphones gewöhnen - und könnten verwundert sein, falls Webseiten tatsächlich bedeutend länger brauchen, wenn sie beispielsweise über Facebook aufgerufen werden. Dieser Druck soll den Konkurrenten Facebook dazu zwingen, ebenfalls auf AMP umzustellen. Es wäre ein kleiner Sieg für Google.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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