Gold:Aufpoliert

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Der Preis steht so hoch wie seit fünf Jahren nicht mehr, auch wegen der amerikanischen Geldpolitik. Das freut nicht nur Anleger, sondern auch viele Menschen in der australischen Wüste.

Von Victor Gojdka, München

Wenn der Goldpreis zuckt, dann merken es die Menschen im australischen Städtchen Kalgoorlie-Boulder an den Fremden. Männer mit olivgrünen Schlapphüten fallen dann in die Stadt ein. Mit Spitzhacken, Spaten und Metalldetektoren suchen sie rund um Kalgoorlie zwischen der roten Erde, den Salzbüschen und den dürren Sträuchern der westaustralischen Wüste nach Gold.

Und nach dem Glück.

Erst vor wenigen Tagen hat ein Finder solches gehabt und dem Wüstenboden ein anderthalb Kilo schweres Riesen-Nugget abgetrotzt, 60 000 Euro hat ihm der handflächengroße Goldklumpen gebracht. Was dann passierte, konnte selbst Ladeninhaber Matt Cook im Sender ABC nicht glauben: "Es ist wie ein Goldrausch."

Nicht nur die schlapphutgeschützten Goldsucher erliegen nun wieder dem Glanz des edlen Metalls, auch die Finanzprofis in den Bankenkapitalen lassen sich dieser Tage anstecken. Am frühen Freitagmorgen hat der Preis für eine Feinunze Gold erstmals wieder die Marke von 1400 Dollar geknackt, das erste Mal wohlgemerkt seit sechs Jahren. In den vergangenen Monaten hatte sich der Goldpreis unter dieser Marke abgearbeitet wie die Sucher am australischen Boden. "Gold erlebt eine Blütezeit", sagt Nitesh Shah, Goldexperte bei Wisdom Tree.

"Gold erlebt gerade eine Blütezeit."

Manche Experten hatten fast schon jede Hoffnung in Sachen Gold verloren, weil der Preis seit Mitte Februar trotz aller Krisen vor sich hingedümpelt war. Reagiert das vermeintliche Krisenmetall Gold etwa nicht mehr auf Schlagworte wie Handelsstreit mit China, Haushaltsstreit mit Italien oder den Brexit? Die Antwort ist einfach: Keine dieser Fragen war für die Anleger neu, keine systemgefährdend, keine brachte die Aktienkurse dauerhaft ins Wanken. Doch die Zeit dieser Sorglosigkeit scheint passé zu sein.

Am 31. Mai, nachts um genau 01:30 Uhr, veränderte US-Präsident Donald Trump mit einem Tweet auf einmal alles. Drohte Mexiko nach dem Z-Wort "Zaun" plötzlich auch mit dem Z-Wort "Zölle". Genau 15 Stunden brauchten die Finanzprofis, bis sie die Tragweite der Textnachricht erkannt hatten und der Goldpreis über 1300 Dollar schoss: Diese Zolldrohung hatte eine neue Qualität, weil es Trump mit der Zolldrohung nicht mehr nur um Wirtschaftsfragen ging, sondern um Zuwanderung. Zölle, das dämmerte den Finanzprofis, dürften nun zur Universalwaffe des Weißen Hauses werden.

Hier liegt das Gold der Deutschen: 2015 hat die Bundesbank 210 Tonnen ihrer Goldreserven nach Frankfurt geholt - in Tresore wie diesen. (Foto: AFP)

Seitdem ist die Liste der geopolitischen Brandherde nicht kürzer geworden: Die Tankerattacke im Golf von Oman könnte zum Zündfunken einer geopolitischen Krise werden. Dass die Iraner offenbar eine US-Drohne abschießen, brachte die Welt an den Rand einer neuen Auseinandersetzung.

Den gesamten Anstieg des Goldpreises nun aber einzig auf dessen Nimbus als Krisenwährung zu schieben, wäre verfehlt. Schlagendere Gründe für die Hochstimmung bei Anlegern und Metall liegen in den Finessen der weltweiten Zinspolitik. In den Händen von Notenbankern wie Jerome Powell, dem Chef der amerikanischen Notenbank, den alle nur "Jay" nennen.

Mit seinen Kollegen hat er die Leitzinsen in den USA am Mittwoch zwar nicht gesenkt, aber immerhin angedeutet, dass die Zentralbanker künftig offen für niedrige Zinsen wären. "Das war ein Segen für den Preis des Edelmetalls", sagt Rohstoffexperte Shah. Was nach göttlicher Fügung klingt, folgt in Wirklichkeit einer einfachen Rechnung: Wenn Zinsen sinken, wird Gold automatisch attraktiver. Denn im Unterschied zu Zinspapieren wirft Gold keine laufenden Erträge ab, wenn es im Tresor verstaubt. Gibt es ordentlich Zinsen, haben Goldanleger also Pech. Wenn die Zinsen nun allerdings sinken dürften, verliert das Argument an Wichtigkeit für die Anleger. Gold glänzt auf einmal heller.

Powells Zinspolitik entfaltete genau genommen sogar die Kraft eines doppelten Poliertuchs für den Goldpreis. Denn wenn die Zinsen in den Vereinigten Staaten sinken, macht das für internationale Investoren zugleich Dollaranlagen unattraktiver, sie bringen dann schließlich weniger ein. Die Profis verkaufen also Dollar ab, was den Kurs der Leitwährung zu anderen Devisen diese Woche gedrückt hat. Andersherum können ausländische Anleger mit ihrer Währung nun mehr Gold kaufen als zuvor - weil Gold an den Rohstoffmärkten in Dollar gehandelt wird

(Foto: N/A)

Der neue Goldrausch lässt sich auch im Gewerbegebiet der Münchener Messestadt West erspüren. Hier hat der Goldhändler Pro Aurum sein Hauptquartier in Form eines überdimensionierten Goldbarrens gebaut und gülden angemalt. In der Schalterhalle fragen derzeit wieder mehr Menschen nach dem goldenen Metall, manche steigen jetzt ein und hoffen auf steigende Preise. Damit dürften sie zumindest auf Jahressicht nicht falsch liegen, denn die wirtschaftliche Lage dürfte sich trüben, die Zinsen weiter sinken. "Gold sollte weiter glänzen", sagt Eugen Weinberg von der Commerzbank.

Ob sich Anleger über den hohen Goldpreis allerdings aus vollem Herzen freuen können, ist fraglich. Denn im Kern deutet er auf eine fragilere Wirtschaftslage hin. Genau genommen kann derzeit nur einer sein Gold-Glück unbeschwert genießen: der Goldaufspürer aus Australien.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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