GM und die Zulieferer:Die Pleite in Detroit zieht Kreise

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Bosch, ZF Friedrichshafen, Conti: Die deutschen Zulieferer spüren den Bankrott von GM - aber noch stärker leiden die amerikanischen Betriebe.

D. Deckstein, M. Koch und M. Thiede

Erst trifft es General Motors. Und als nächstes dann die Zulieferer? Am Ende auch jene in Deutschland? Nein, alles nicht so schlimm, versichern die Firmen. Unternehmen wie Continental, Bosch oder ZF Friedrichshafen werden den Bankrott des einstmals weltgrößten Autobauers zu spüren bekommen, aber nur in Maßen. Der Leiter der Forschungsstelle Automobilwirtschaft in Bamberg, Wolfgang Meinig, rechnet nicht mit einer vergleichbaren "Schockwelle" wie unter den Zulieferern in den USA, wenn GM die Sparflamme, auf der der Größte der "Big Three" ohnehin nur noch produziert, noch weiter herunterdrehen muss.

Montage bei ZF Friedrichshafen: Die Zulieferer bekommen den Bankrott von GM zu spüren - allerdings nur in Maßen. (Foto: Foto: dpa)

So steht Continental mit Außenständen von etwa 15 Millionen Dollar auf der Liste der GM-Gläubiger auf Platz 21. In Hannover gibt man sich gelassen. GM sei für Continental zwar ein großer, aber kein besonders schwergewichtiger Kunde, heißt es. Weltweit würden zehn bis 15 große Hersteller oder Herstellergruppen von Conti bedient werden, das Kundenportfolio sei also breit gefächert. Einschließlich der Töchter stehe GM für einen Umsatz im mittleren einstelligen Prozentbereich des Conti-Gesamtumsatzes.

Nicht "der allergrößte Kunde"

Auch für ZF Friedrichshafen als Nummer drei der Autozulieferer ist GM nicht "der allergrößte" Kunde, wie ein Firmensprecher es ausdrückt. Von den acht bis zehn Prozent des Umsatzes, den ZF in den USA erzielt, entfallen auf General Motors nicht mehr als knapp zwei Prozent. Schon frühzeitig, so der Sprecher, habe ZF die Kreditlinien bei den großen drei des amerikanischen Automarktes "etwas enger" gezogen und Zahlungsziele für Zulieferprodukte verkürzt. Für Opels neues Modell Insignia liefert ZF etwa das Stoßdämpfersystem CDC, aber auch hier gebe es "wichtigere Kunden".

Beim weltweit größten Zulieferer, dem Stuttgarter Bosch-Konzern, zählt GM zu den fünf größten Kunden, aber wie es nach der Einleitung der Insolvenz weitergeht, darüber will auch eine Bosch-Sprecherin nicht spekulieren. "Wir beobachten die weitere Entwicklung mit Interesse", sagt sie nur. Kummer gewohnt sind die Autozulieferer nach der Absatzkrise Ende vergangenen Jahres ohnehin. So brach der USA-Umsatz von Bosch schon 2008 um 17 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro ein - insgesamt setzte Bosch mit seiner Automotive-Sparte 26,5 Milliarden Euro um. Der für die Sparte zuständige Manager Bernd Bohr sagte im April bei der Bilanz-Pressekonferenz: "Wir sind in Nordamerika breit vertreten, und langfristig werden dort nicht weniger Autos verkauft werden als vor der Krise."

Über eine Glaskugel verfügt allerdings auch Bosch nicht, weswegen sich dort niemand darauf festlegen will, wann "nach der Krise" sein wird. Über den Umsatzanteil, den Bosch mit Opel erzielt, wollen sich die Stuttgarter nicht äußern. Sollten die Pläne des künftigen Eigentümers darauf hinauslaufen, deutsche Produktionsstandorte der Marke mit dem Blitz nach Russland zu verlegen, sähe sich Bosch gerüstet. Schon heute arbeiten 1100 Bosch-Beschäftigte in der ehemaligen Hauptstadt der Wolgadeutschen Republik, Engels, für russische Pkw- und Lkw-Hersteller.

Im zweiten Teil: Wie die Situation der Zulieferer in den USA aussieht - und was für Folgen die Flaute haben könnte.

Ganz anders sieht die Lage in den USA aus.Tausende Zulieferer befinden sich bereits in Not. Großbetriebe wie Delphi und Visteon sind zahlungsunfähig. Denn viele Betriebe können nur überleben, wenn in den USA pro Jahr 16 Millionen Autos verkauft werden. Ein derart hoher Absatz war möglich, solange sich die Amerikaner reich fühlten, weil der Wert ihrer Häuser und Aktiendepots scheinbar unaufhörlich stieg. Doch das ist Geschichte.

Inzwischen sparen die Amerikaner auch beim Auto. Weniger als 9,5 Millionen Neuwagen dürften 2009 einen Käufer finden. Kaum einer rechnet damit, dass der Markt in den kommenden Jahren auf sein altes Niveau zurückfindet. Deshalb steht die Zuliefererbranche vor einer Pleitewelle. Dies bringt neue Probleme für die Hersteller. Oft sind die Autokonzerne für gewisse Teile von ein, zwei Lieferanten abhängig.

Massive Überkapazitäten

Nicht nur die großen US-Hersteller im Mittleren Westen müssen sich sorgen, auch ihre europäischen und asiatischen Konkurrenten, die sich im Süden der USA angesiedelt haben. Zwar versuchen diese, ein eigenes Zulieferernetz aufzubauen, bestellen bestimmte Komponenten jedoch bei Großbetrieben, die von der Existenzkrise der US-Hersteller stark betroffen sind. Die US-Regierung weiß um den Ernst der Lage. Die Auto-Eingreiftruppe von Präsident Barack Obama ist zu Wochenbeginn zu einer Reise in den Mittleren Westen aufgebrochen.

Grundsätzlich haben die Zulieferer dieselben Probleme wie ihre Kunden. Sie versprachen ihren Arbeitern Löhne und Sozialleistungen, die sie sich nicht leisten können. Bisher hat die Regierung fünf Milliarden Dollar ausgegeben, um die Lieferanten zu stützen. Experten rechnen mit weiteren Milliardenhilfen. Eine gute Nachricht immerhin gab es von Delphi am Montagabend. Nach fast vier Jahren steuert der Zulieferer, der einst zu GM gehörte, auf einen Abschluss seines Insolvenzverfahren zu. Die Gefahr einer Liquidierung ist gebannt, vorerst zumindest.

Lars Stolz, Partner und Automobilexperte der Managementberatung Oliver Wyman, sieht derzeit Überkapazitäten von 20 bis 40 Prozent in der Zulieferbranche, an die bis zu 70 Prozent der Wertschöpfung eines Autos ausgelagert worden ist. Stolz rechnet nicht vor 2011 mit einer Erholung auf das Niveau von 2007. Bis dahin würden auch die Zulieferer ihre überschüssigen Kapazitäten abbauen müssen, womit Standortverlagerungen in aufstrebende Autoländer wie Russland, China oder Indien nicht zu vermeiden und auch Arbeitsplätze in Deutschland betroffen seien.

© SZ vom 03.06.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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