Gipfel in Paris:Milliardeneinsatz beim Klimapoker

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In Paris zücken Staaten das Scheckheft. Würden durch Geld Flügel wachsen, die Konferenz könnte kaum am Boden bleiben. Von den Gebern ist das geschickt - Entwicklungsländer sind aber auch skeptisch.

Von Michael Bauchmüller, Paris

Auch John Kerry wollte nicht mit leeren Händen kommen, 400 Millionen Dollar bringt er mit. "Wir wissen, dass mehr nötig ist", sagt der amerikanische Außenminister. "Wir lassen die ärmsten Staaten nicht buchstäblich im Sturm allein." So werden aus 400 Millionen Dollar Klimahilfen für Entwicklungsländer jährlich 800 Millionen Dollar - nur drei Tage vor dem Ende des Klimagipfels in Paris. "Wir müssen den Job zu Ende bringen", sagt Kerry noch. Das Geld soll dabei helfen.

So läuft das seit Beginn der Konferenz, auch die Bundesregierung hat einige Meisterschaft darin entwickelt. Erst am Dienstag verkündete auch Deutschland die Höhe der Mittel für den so genannten Anpassungsfonds, der Entwicklungsländern hilft, sich auf Folgen des Klimawandels einzustellen: 50 Millionen Euro zusätzlich sollen dafür bereit stehen. "Ich hoffe, dass dieses Signal die Verhandlungen in Paris beflügelt", sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Würden durch Geld Flügel wachsen, die Konferenz könnte kaum am Boden bleiben. Zusammen mit anderen Staaten sagte Deutschland schon zu Beginn der Konferenz zu, fünf Milliarden Dollar für den Schutz von Wäldern aufzubringen, bis 2020. Weitere drei Milliarden Dollar will die Bundesregierung in den Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika stecken, ebenfalls bis 2020. 150 Millionen Euro fließen in die G-7-Initiative für den Aufbau von Klimaversicherungen, mit denen sich Staaten oder etwa Landwirte gegen die Folgen von Stürmen und Dürren versichern können. 50 Millionen Euro gehen an einen Fonds, aus dem die ärmsten Staaten rasch Hilfen bekommen, wenn der Klimawandel zuschlägt. Mit bescheidenen sieben Millionen Dollar beteiligt sich der Bund am Aufbau von Strukturen, mit denen Entwicklungsländer ihre Fortschritte beim Klimaschutz besser messen können, und 30 Millionen Euro gibt er aus, um ihnen Investitionsrisiken beim Ausbau erneuerbarer Energien abzunehmen - angeblich kann das Investitionen von weiteren 1,3 Milliarden Euro beflügeln. Selbst den Experten der beteiligen Ministerien schwirrt bei so vielen Zahlen der Kopf. "Die Bundesregierung macht das sehr geschickt", sagt Jan Kowalzig, Finanzexperte bei der Entwicklungsorganisation Oxfam. "Sie verkündet ihre Zusagen tröpfchenweise und erweckt so den Eindruck, sie würde richtig viel machen." Für die Entwicklungsländer seien das wichtige Signale - zumal auch sie am Ende einem Klima-Abkommen zustimmen müssen. Und tatsächlich ist Deutschland weltweit der zweitgrößte Geber für den Klimaschutz.

Das Geld allerdings fällt auch in Paris nicht aus heiterem Himmel, im Gegenteil: So manche Million und Milliarde war schon einmal öffentlichkeitswirksam verkündet worden. Die Milliarden für den Waldschutz etwa hatte Kanzlerin Angela Merkel schon 2008 bei der Artenschutz-Konferenz in Bonn angekündigt - hier ist sie also wieder. Die anderen Millionen stammen zum Großteil aus den jüngeren Klimaschutz-Zusagen der Koalition: Von bislang zwei Milliarden Euro sollen die Mittel bis 2020 auf vier Milliarden Euro anwachsen.

"Viele Länder wollen nicht nur hohe Zahlen hören, sondern wissen, was wirklich passiert."

Der Milliardeneinsatz beim Klimapoker kommt nicht von ungefähr: Ihre Glaubwürdigkeit wollen die Industriestaaten dadurch verteidigen, dass sie Zusagen der Vergangenheit einhalten, etwa von 2009. Damals versprachen sie beim Klimagipfel in Kopenhagen, bis 2020 insgesamt 100 Milliarden Dollar im Jahr aufzubringen. Entwicklungsländer zweifeln bis heute, dass das wirklich ernst gemeint war. "Viele Länder wollen nicht nur große Zahlen hören", sagt Ingrid-Gabriela Hoven, die für das Entwicklungsministerium in Paris verhandelt. "Sie wollen wissen, was wirklich passiert."

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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