Giesecke greift nach Bundesdruckerei:Berliner Feilschen

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Plötzlich könnte alles ganz schnell gehen: Das Münchner Unternehmen Giesecke will offenbar bis in einer Woche ein Angebot für die Bundesdruckerei abgeben. Damit käme Giesecke in den Besitz brisanter Daten

Markus Balser

Das Ziel der Eindringlinge ist besser gesichert als so manches Regierungsgebäude in Berlin. Mitten in Kreuzberg liegt jene Firma hinter dicken Mauern, hohen Zäunen und Sicherheitsschleusen, in die sich deutsche und ausländische Investoren gerne einkaufen würden. Zuletzt häuften sich die diskreten Besuchergruppen im feinen Zwirn, die sich in der Oranienstraße vom Management der Bundesdruckerei präsentieren ließen, wie der Konzern mit Pässen und Banknoten in Zukunft Geld verdienen will.

Begehrte Daten: Für die Bundesdruckerei gibt es zahlreiche Interessenten. (Foto: Foto: ddp)

Die Zeit drängt, denn der Verkauf des 1879 gegründeten Traditionsunternehmens geht in die heiße Phase. Noch in diesem Sommer soll der Deal über die Bühne gehen. Gerade mal eine Woche - bis zum 18. Juni - bleibt den Investoren nach Informationen aus Verhandlungskreisen, um Gebote abzugeben.

Absage von Bosch

Das Schicksal der Firma werde sich vielleicht schon in den nächsten Tagen entscheiden, glauben Manager des Unternehmens. Denn Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr. Beim Berliner Feilschen geht es um viel Geld - auf eine Milliarde Euro schätzen Finanzkreise den Wert der Bundesdruckerei. Und es geht um außerordentlich sensible Geschäfte.

Denn neben dem inzwischen sanierten Unternehmen kommt der Investor auch in den Besitz brisanter Daten. Weil die Bundesdruckerei die Pässe der Deutschen herstellt, verfügt sie über Adressen, Fotos und Unterschriften fast aller Bundesbürger. Der Telekom-Skandal habe gezeigt, wie wichtig der Schutz sensibler Daten sei, heißt es warnend aus dem Konzern.

Beste Chancen räumen Verhandlungskreise nun dem Münchner Familienunternehmen Giesecke & Devrient (G&D) ein. Der Konzern kündigte am Dienstag an, bis zum Ablauf der Frist Mitte Juni ein Gebot vorzulegen. Die Firmen würden sich gut ergänzen, so die Sprecherin. Zwar hatte auch der Elektronikkonzern Bosch nach Angaben aus Verhandlungskreisen zunächst Interesse signalisiert. Am Dienstag aber machte eine Konzernsprecherin klar: "Wir werden nicht für die Bundesdruckerei bieten." Damit bleibt als möglicher Konkurrent im Bieterverfahren nur noch der TÜV Nord, der Ambitionen bislang nicht dementiert.

Weiter in deutscher Hand

Verhandlungskreisen zufolge sollen auch internationale Interessenten wie der US-Konzern 3M auf politischer Ebene ihre Bemühungen verstärken, mitbieten zu dürfen. Doch die Chancen stehen schlecht. Die Regierungsfraktionen sind sich einig, dass die Bundesdruckerei in deutscher Hand bleiben soll. Um sich Mitsprache zu sichern, strebt der Bund eine Minderheitsbeteiligung an.

Erst im Jahr 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung den Hersteller von Banknoten und Ausweisen privatisiert und für eine Milliarde Euro an den britischen Finanzinvestor Apax Partners veräußert. Der hatte den Kauf teilweise über Schulden finanziert und sie dem Unternehmen aufgebürdet.

Als die Bundesdruckerei nur zwei Jahre später wegen hoher Schulden ins Schlingern geriet, wanderte sie für einen Euro in eine Auffanggesellschaft, die seither von einer Kanzlei treuhänderisch verwaltet wird. Der Treuhänder hatte schließlich einen neuen Verkaufsprozess angestoßen. Inzwischen gilt die Bundesdruckerei als saniert, auch dank der Aufträge des Bundes für elektronische Reisepässe.

© SZ vom 11.06.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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