Giesecke & Devrient druckt Banknoten:Wo das Geld wächst

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Was machen die Euro-Drucker, wenn der Euro unter Druck steht? Für das Unternehmen Giesecke & Devrient ist unsere Währung ein Produkt. Das entsteht in Oberbayern unter hoher Geheimhaltung.

Von Jannis Brühl

Es wird einmal ein Zehn-Euro-Schein sein, doch jetzt sieht es aus wie ein Milchshake. Rosa blubbert der Brei aus Baumwollfasern, Flusswasser und Farbe in einem Becken. Ein rollenförmiges Metallsieb dreht sich, die Flüssigkeit wird abgepumpt. Auf der Rolle bleibt eine feine Schicht zurück. "Das ist wie ein Fusselsieb beim Wäschetrockner", sagt Walter Schlebusch, der Geldmacher. Die Masse auf dem Fusselsieb trocknet und wird zu Papier, zu wertvollstem Papier, hier in Gmund am Tegernsee. Am Ende entsteht in dieser Fabrik ein Produkt, das jeder gern hätte, das die Menschen rackern, rasen und hoffen lässt, das beruhigen soll und doch in diesen Tagen ein Imageproblem hat: der Euro.

Geld am Fließband: Das fertige und abgepackte Produkt in der Druckerei von Giesecke & Devrient. (Foto: N/A)

Die Leute müssen der Währung vertrauen", doziert Schlebusch, 63. Als Geschäftsführer verantwortet er den Geschäftsbereich "Banknote" beim Familienunternehmen Giesecke & Devrient (G&D). Die Münchner Sicherheitsfirma stellt im Auftrag von mehr als 60 Zentralbanken der Welt Geldscheine her; weiteren 40 Staaten liefert sie Spezialpapier zum Gelddrucken.

Es geht also um Vertrauen, um viel Vertrauen, doch das fehlt dem Euro derzeit. Die Überschuldung von Staaten wie Griechenland, die Not in Portugal, Spanien und Italien, die immer neuen Rettungsaktionen haben die Menschen misstrauisch gemacht. Jeder Fünfte glaubt, dass der Euro in fünf Jahren nicht mehr existieren wird, besagt eine bisher unveröffentlichte Umfrage der Marktforscher von TNS Infratest im Auftrag von ING Investment Management.

Was ist das Geld noch wert? Das, was es aufzeigt? Fünf Euro, zehn Euro, 20 Euro, 50 Euro? Oder weniger?

Und die Gelddrucker? Versorgen sie die Notenbanken jetzt buchstäblich mit Güterzügen frischen Geldes? Oder drucken sie sogar griechische Drachmen, spanische Peseten auf Vorrat, falls die Euro-Zone wirklich auseinander bricht?

In der Papierfabrik Louisenthal im Tegernsee-Dorf Gmund ist die Euro-Krise weit weg. Business as usual. Journalisten sind hier normalerweise verpönt, aber diesmal macht Giesecke & Devrient eine Ausnahme. Zu sehen sind Mitarbeiter mit Feingefühl: Sie verpassen dem Papier im Schichtbetrieb Sicherheitsmerkmale, an denen Geldfälscher verzweifeln sollen: Wasserzeichen, Hologramme und Fasern, die unterm Schwarzlicht an Supermarktkassen bunt schimmern. Sicherheit ist ein großes Geschäft, da können Wirtschaftswissenschaftler aus den USA noch so oft vom Crash der Euro-Zone schwadronieren.

Tatsache ist: Für die Geldmacher ist der aktuelle indische Exportstopp auf Baumwolle ein viel größeres Problem als der nervöse Zinssatz spanischer Staatsanleihen. Und in Gmund, an der Geldquelle, redet keiner von der Krise.

In dem oberbayerischen Voralpenidyll, hinter weiß gestrichenen Häusern mit dunklen Holzbalkonen, beginnt die Hochsicherheitszone der Gelddrucker. Die Papierfabrik hat ihren eigenen Grenzübergang. Nur eine Brücke führt hier über den plätschernden Fluss Mangfall. Auf der anderen Seite warten Sicherheitsleute neben Schlagbaum und Metall-Drehtüren. Ein "intelligenter" Zaun sichert das Areal: Er schlägt Alarm, wenn jemand drübersteigt. Überall Kameras, auch am Tor neben dem Klingelschild. Hier steht: "K. Mustermann".

Schlebusch ist vorbereitet. Er klatscht einen Hundert-Drachmen-Schein auf den Tisch im Konferenzsaal. Heimliche Produktion? Vorbereitung auf den Euro-Crash? Nein, ein Scherz nur. Die griechische Banknote stammt aus den neunziger Jahren. Beinahe wöchentlich rufen Journalisten an und fragen, ob Giesecke & Devrient denn schon die neue Währung für Hellas drucke. Kann ja nicht mehr lange gut gehen am Peloponnes! Andere fragen, ob das Unternehmen irgendwo auch D-Mark-Scheine lagere. Deutschland wird das Chaos doch sicher bald zu viel!

Kuriose Geldscheine und Währungen
:Schöne neue Plastikwelt

"Wir können leider große Banknoten nicht annehmen" - diesen Satz soll in Kanada keiner mehr lesen müssen. Seit 2012 gibt es einen neuen, angeblich besonders fälschungssicheren 100-Dollar-Schein. Er besteht aus Plastik. Aber nicht nur die kanadischen Dollar sind künftig unverwechselbar, in der Welt des Geldes gibt es viele kuriose Besonderheiten. Ein Überblick in Bildern.

Sicher, die Rückkehr von Staaten zu alten Währungen würde neue Aufträge für die Geldmacher bedeuten, aber das ist ein Thema für Akademien. Und was, wenn die Inflation steigt? Wenn die Zentralbanken die "Notenpresse anwerfen", wie das immer so schön heißt? Laufen dann die Maschinen in Gmund heiß?

Stoff, aus dem Träume sind: Banknotenpapier mit Sicherheitsstreifen. (Foto: Mathias Woltmann)

Das mit der Notenpresse ist in diesem Fall Metaphorik, und kein Umsatzbringer. Es ändert sich in der Papierfabrik am Tegernsee nämlich erstmal überhaupt nichts, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) den Mindestreservesatz senkt oder einen ihrer berüchtigten "Tender" auswirft. Mathematisch wird die Geldmenge so erhöht, das geschieht aber in erster Linie elektronisch auf den Konten der Privatbanken, die sich billig Geld der Notenbanken leihen. Der Bargeldumlauf wächst nicht mit der Geldmenge.

Schade also für Giesecke & Devrient und all die anderen Gelddrucker dieser Welt: Expansive Geldpolitik bringt ihnen nichts. Obwohl die EZB seit einiger Zeit eifrig Geld in den Markt pumpt und sogar von der "Dicken Bertha" spricht, meldet Giesecke & Devrient einen Gewinneinbruch: um 30 Prozent auf nur noch 52 Millionen Euro, und das bei einem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro. Schuld daran seien den Erklärungen des Managements zufolge der hohe Baumwollpreis und die politischen Aufstände in arabischen Staaten. Deren Zentralbanken bestellten weniger Geld. Was gut ist für die Demokratie, kann schlecht für die Auftragslage sein.

Schlebusch trägt das graue Haar gescheitelt. Er hat einen Anzug jener Leute an, die sich mit Geld auskennen. Doch er hat es satt, jedem die Krise zu erklären: "Ich produziere Banknoten. Ich bin kein Banker." Dieser Mensch ist kein Zahlenknecht, sondern Ingenieur - das merkt man, sobald er das Verwaltungsgebäude verlässt und die Fabrikhallen nebenan betritt. Schlebusch wuselt von einer meterhohen Maschine zur nächsten. Begeistert erklärt er, wie hier Papier gewälzt, mit Metallfäden durchzogen und gerollt wird. Dabei schüttelt er immer wieder Arbeitern im Blaumann die Hände.

Die Firmenchefs verkehren zwar mit Zentralbankern, den Herren der Zinsen, sie verstehen Giesecke & Devrient aber immer noch als Familienbetrieb. Das Geschäft leitet Karsten Ottenberg, ein gelernter Physiker. Eigentümerin ist Verena von Mitschke-Collande, die Tochter des Patriarchen Siegfried Otto, der den Betrieb nach dem Krieg zur Weltfirma ausbaute. Sie dürfte eine der reichsten Frauen des Landes sein.

An einer Maschine zögert Schlebusch. In ihre Rolle sind Bilder gestanzt, dasselbe Motiv, wieder und wieder im Abstand einer Scheinlänge. In der Struktur des Siebes verdichten sich Baumwollfasern, im Papier hinterlässt das ein 3D-ähnliches Bild. Das ist das Wasserzeichen. Schlebusch lotst rasch weiter: "Das dürfen Sie nicht sehen!"

Bei jeder Währung, die der Besucher sieht, muss er um Erlaubnis fragen, sie nennen zu dürfen. Dass eine Angestellte in Gmund den turbanumwickelten Kopf von Abdul Rahman, des ersten Königs des modernen Malaysia, durch eine Lupe inspiziert, darf in diesem Text stehen. Welches Wildtier einen anderen Geld-Schein ziert, kann hier nicht erscheinen. Diskretion gehört zum Geschäft.

Schlebusch entspannt erst wieder einige Meter weiter. Vor einem Tisch stehen zwei Arbeiter. Was sie tun, darf man sich ansehen und beschreiben: Mit Kugelschreibern haken sie auf einer der Papierrollen Wasserzeichen ab, eins nach dem anderen. Qualitätskontrolle. "Vor allem bei Gesichtern stört die Schrumpfung nach dem Trocknen", sagt Schlebusch. Dann führt er durch die nächste Sicherheitsschleuse.

Nur mit einer speziellen Codekarte kommt man in den schmalen Zwischenraum zwischen zwei Glastüren. Dort muss man militärisch stramm stehen. Sensoren prüfen, ob wirklich nur ein Mensch in der Schleuse ist. Erst dann öffnet sich die zweite Glastür. 10 000 Menschen arbeiten weltweit für Giesecke & Devrient, 650 von ihnen in Gmund. Wer direkt mit der Geldproduktion zu tun hat, wird genau überprüft. Allzu viel dürfen auch Angehörige der Angestellten nicht mitbekommen. "Papa, bringst du mir was aus der Arbeit mit?" - das läuft hier überhaupt nicht.

Entgegen anderslautender Sprichwörter stinkt Geld doch. Zumindest in jener Halle, in der Folienstreifen mit Hologrammen für die Scheine hergestellt werden. Es riecht nach heißen Chemikalien. Auf einem Spind liegt eine Atemschutzmaske. Mit Lack wird das Muster der Hologramme auf die Folie gemalt. Unter ihr feuert eine Elektronenkanone in weißes Silikat, in Kupfer, Chrom oder Aluminium. Das gelöste Metall in den aufsteigenden Dämpfen setzt sich im Lackmuster auf der Folie fest. So entstehen schimmernde Hologramme.

Die fertigen Papierrollen sind zweieinhalb Meter breit und wiegen zwei Tonnen. Sie werden aus der geheimen Papierfabrik in die noch geheimere Druckerei in München gebracht. Dort mutiert Papier zu Geld. Die Bögen werden mit Bauwerken, Nationalhelden und natürlich konkreten Zahlen bedruckt. Vier Millionen Banknoten laufen täglich vom Band. Zutritt nur für eine Handvoll Spezialisten. Der Pressesprecher sagt: "Ich komme da auch nicht rein."

Egal, was draufsteht, die Produktionskosten eines Scheins aus Baumwolle liegen bei drei bis acht Cent. Das frisch gedruckte Geld liefert die Firma dann bei der Bundesbank ab, der großen Geldschleuder. Die vergibt es an die Geschäftsbanken. Letzte Zwischenstation sind Geldautomaten oder Bankangestellte am Schalter. Und dann führen die Bürger die Scheine ihrer wahren Bestimmung zu: Sie legen sie auf Tresen oder reichen sie an der Kasse um zu bezahlen, sie stecken sie Brautpaaren zu oder streichen zu Hause sinnlich über das Papier, das einmal eine Milchshake-Masse in einer Fabrik in Gmund war.

Regelmäßig überprüft die Bundesbank die Druckereien ihrer Lieferanten. Die Unternehmen müssen günstig sein, um an die begehrten Aufträge zu kommen, und vor allem ist es höchste Pflicht, die Sicherheitsstandards der Zentralbanker einzuhalten. Giesecke & Devrient versucht, unabhängiger von der Bargeld-Produktion zu werden. Weil die Menschen immer öfter mit EC-Karten, Kreditkarten, per Online-Banking oder sogar dem Handy zahlen, mischt die Firma auch auf diesen Märkten mit. In Schweden ist Bargeld zum Auslaufmodell geworden. Anfang April verkündete die Firma ein internationales Joint-Venture für extrasichere Handychips.

Blüten sind Unkraut, und der Manager Schlebusch sieht sich für Unkraut- Bekämpfung zuständig: "Fälscherangriffe" müsse man "abwehren", sagt er. Fast 40 000 Scheine hat die Bundesbank allein im Jahr 2011 aus dem Verkehr gezogen. Gesamtwert: mehr als zwei Millionen Euro. Besonders beliebt bei Betrügern: der Fünfziger. Im Volksmund ist der "falsche Fuffziger" längst Standard.

Falschgeld taucht vor allem kurz nach der Einführung neuer Scheine auf. Dann kennen die Menschen ihre Währung noch nicht gut. Deshalb gibt es neben Wasserzeichen und Hologrammen auch "Humanmerkmale", an denen die Leute intuitiv erkennen sollen, ob ein Schein echt ist. Jetzt schaltet Schlebusch auf Gelddrucker-Slang und erwähnt "Taktilität". Fühlt sich der Schein an, wie ich es erwarte? Oder er spricht von "Klangfestigkeit". Hört sich die Note richtig an? Er zieht einen Schein mit einem Ruck gerade, dabei schnalzt er etwas: "Das klingt nicht nach DJ Bobo, das klingt nach echtem Geld."

Die wahren Herausforderungen liegen also jenseits von Finanzkrisen, im technisch-taktilen Klangfestigkeitsbereich sozusagen. Die Firma produziert Geld maßgeschneidert, jede Zentralbank kann aus vielen Features wählen. Manager Schlebusch zieht eine Handvoll Scheine aus einer überdimensionierten Geldbörse. Das ist die Produktpalette. Den klassischen Baumwollschein kann er auf Wunsch fast unzerreißbar machen - oder für feuchtwarme Länder wasserfest. Um das zu demonstrieren, schüttet der Mann von der Gelddruckerei unvermittelt ein Wasserglas ins Gesicht von Johannes Gutenberg, und der blickt nach dem Bad unverändert streng von einem Muster-Schein des "Longlife Paper".

Für Kanada hat Giesecke & Devrient im vergangenen Jahr eine Note komplett aus Polymer, also Kunststoff, produziert, mit einem durchsichtigen Fenster. Der Schein fühlt sich an wie eine Klarsichthülle. Wenn Experte Schlebusch potentielle Klienten überzeugen will, hilft ihm nicht nur Gutenberg, sondern auch Yvonne: So heißt der Muster-Schein, von dem ein blondes Model grinst. Yvonne ist so etwas wie die attraktive Urenkelin von Annette von Droste-Hülshoff, der Dichterin auf dem alten 20-Mark-Schein. Doch manchmal kann auch die schöne Yvonne nicht helfen.

Beispiel Südsudan: Konkurrent De la Rue durfte nach der Abspaltung des Landes im Sommer 2011 den Freiheitskämpfer John Garang auf die Pfund-Noten des neuen Staates drucken. Die Deutschen gingen leer aus. Das schmerzt nicht nur finanziell: "Ein neues Land mit der ersten eigenen Währung auszustatten ist immer eine besondere Herausforderung", findet Schlebusch.

In einem solchen Fall bekommen die Designer bei den Geldproduzenten ganz viel Arbeit: Schließlich ersetzen die Helden eines neuen politischen Systems dann die Helden des alten Systems. Libyen beispielsweise zieht derzeit Scheine mit dem sonnenbebrillten Porträt des getöteten Diktators Gaddafi ein.

Den Spruch mit der "Lizenz zum Gelddrucken" hat Schlebusch schon oft gehört - "zu oft", sagt er und lächelt. So wie nur jemand lächeln kann, der das begehrteste Produkt der Welt herstellt. Ein Produkt, das aus dem Fusselsieb kommt.

© SZ vom 31.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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