GfK:Orakel in Schwierigkeiten

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Die Nürnberger GfK wurde 1934 als Gesellschaft für Konsumforschung gegründet und misst seit Jahrzehnten das Einkaufsverhalten. Doch jetzt machen ihr flinke Internet-Unternehmen Konkurrenz. (Foto: Adam Berry/Getty Images)

Der Marktforscher GfK misst den Konsum der Deutschen. Aber seine eigenen Zahlen stimmen nicht mehr.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Als Matthias Hartmann Ende 2011 den Posten an der Spitze des größten deutschen Marktforschungsunternehmens antrat, gab er sich bescheiden. Als Erstes wolle er "verstehen, wie die GfK tickt", sagte der Manager, der für den neuen Posten als Vorstandschef nach vielen Jahren beim amerikanischen Computerriesen IBM gekündigt hatte. Knapp fünf Jahre später fragen sich allerdings nicht nur viele der 13 000 GfK-Beschäftigten besorgt, ob Hartmann denn allmählich verstehe, wie das Unternehmen tickt. Denn so präzise das Zahlenorakel GfK SE die TV-Einschaltquoten, das Konsumklima oder das Einkaufverhalten der Menschen misst - die eigenen Zahlen stimmen schon lange nicht mehr. Und Hartmann lässt bislang nicht erkennen, dass er das Problem in den Griff bekommen wird.

Vorigen Freitag alarmierte die GfK Öffentlichkeit und Investoren mit einer Gewinnwarnung - der vierten seit Hartmanns Amtsantritt. Der vorläufige Umsatz für das erste Halbjahr sei um anderthalb Prozent gesunken, hieß es da. Das Ziel, stärker zu wachsen als der Markt, werde die GfK verfehlen. Die Gewinnmarge sei drastisch gesunken und außerdem müssten 139 Millionen Euro Sonderabschreibungen auf Firmenwerte vorgenommen werden. Es käme angesichts all dessen einem kleinen Wunder gleich, sollte die GfK das Jahr nicht mit einem Verlust abschließen. Es wäre der zweite binnen vier Jahren.

Gestiegen sind zuletzt nur die Gehälter der Vorstände

Längst hat sich das einstmals so ambitionierte Unternehmen, immerhin fünftgrößter Marktforscher weltweit, heimlich, still und leise von allen Wachstumszielen verabschiedet, die zu Hartmanns Amtsantritt 2011 ausgerufen worden waren. Schon 2015 werde die GfK zwei Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften, lautete damals die vollmundige Ankündigung. Tatsächlich wäre man in der Konzernzentrale am Nürnberger Nordwestring schon froh, wenn in diesem Jahr in etwa das Niveau von 2012 erreicht würde, gut anderthalb Milliarden Euro. Auch bei der Gewinnmarge ist die GfK mit 8,2 Prozent im ersten Halbjahr meilenweit vom 2011 noch doppelt so hoch angesetzten Ziel entfernt.

Das Einzige, was bei der GfK zuletzt kräftig stieg, waren ausweislich des Geschäftsberichtes die Gehälter der Vorstände - von 4,72 Millionen im Jahr 2014 auf 6,23 Millionen 2015 - sowie die Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder, die im selben Zeitraum von 828 000 auf 893 000 Euro kletterten.

"Die GfK ist eine Firma im Umbruch", sagt Investor-Relations-Chef Bernhard Wolf. So ähnlich klingt das allerdings seit Jahren. Von Hartmann selbst kommen Durchhalteparolen der Kategorie: "Die Reintegration im Unternehmen, die wir vor drei Jahren begonnen haben, setzt sich fort." Wie lange noch, bleibt offen.

Der Vorstandschef drehte eifrig an den üblichen Stellschrauben: Kosten senken, Stellenverlagerung nach Osteuropa, die Organisation straffen, Standards vereinheitlichen, neue Manager installieren, Synergieeffekte im Firmenverbund heben - es ist nicht so, dass sich nichts getan hätte. Nur eben ohne durchschlagenden Erfolg.

"Die Situation stellt sich viel prekärer dar, als alle gedacht hatten", sagt Jürgen Graf, der als Börsenanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die GfK-Entwicklung seit Jahren beobachtet. "Die Enttäuschung ist groß, weil neben Sondereffekten auch operative Probleme durchschlagen." Graf spricht von "auch hausgemachten Problemen". Andere Experten, aber auch GfK-Mitarbeiter in Nürnberg, teilen diese Einschätzung.

So würden "Ankündigungs-CEO" Hartmann, wie das Manager Magazin ihn nannte, und die anderen GfK-Topmanager zwar viel darüber reden, dass die Digitalisierung das Marktforschungsgeschäft radikal verändere. Eine durchschlagende Strategie hätten sie bislang aber nicht gefunden. Vor allem die wachsende Zahl kleiner, flinker Internetkonkurrenten stellen die GfK vor massive Probleme. Mobile Panels, nicht selten von pfiffigen Start-up-Unternehmern gegründet, die oft schneller und vor allem günstiger Marktforschungsdaten liefern als die 1934 unter anderem vom späteren Bundeskanzler Ludwig Erhard als Gesellschaft für Konsumforschung gegründete GfK SE.

Hinzu kommen massive Schwierigkeiten bei neuen Projekten. Vor zwei Jahren etwa erklärte Vorstandschef Hartmann die Erforschung und Auswertung von TV-Einschaltquoten zum "Wachstumstreiber". Entsprechend feierte man sich in der Konzernzentrale, als ein Auftrag zur Quotenmessung im brasilianischen Fernsehen einging. Gar von einem "neuen Meilenstein in der Unternehmensgeschichte" war noch Anfang Juli die Rede. Die GfK hat dafür kräftig investiert; die Anlaufkosten waren dem Vernehmen nach höher als ursprünglich veranschlagt. Der Ertrag jedoch ist mau. Bislang lassen ganze drei brasilianische TV-Stationen die Einschaltzahlen von der GfK messen.

Die Meinungen darüber gehen auseinander, ob die GfK strukturell in der Krise steckt und schlichtweg die falschen Leute an der Spitze hat. Oder ob es sich unabhängig von Personen um eine völlig normale Konsolidierungsphase handelt. Schließlich war die GfK bis zu Beginn des Jahrzehnts durch zahlreiche Übernahmen vom Regionalanbieter zum Weltkonzern geworden, vertreten in mehr als 100 Ländern.

Das Unternehmen war dezentral organisiert. Nun jedoch werkeln Hartmann und seine Mitstreiter schon lange daran, Prozesse, Messverfahren und Standards zu vereinheitlichen. Statt dezentral wird inzwischen vieles zentral gesteuert. Das sei nötig, sagt Investor-Relations-Mann Bernhard Wolf, um den Kunden weltweit die gleichen Leistungen in vergleichbarer Art und Weise anzubieten. Ob dieser Plan aufgeht, ist fraglich. Aufsichtsrat und der GfK-Verein, ein Zusammenschluss von 600 Firmen, Institutionen und Privatleuten, der 56,6 Prozent der Aktien an der GfK SE hält, tragen ihn scheinbar mit. Andere Investoren sind skeptischer. Nach Bekanntwerden der neuesten Hiobsbotschaften brach der Kurs der GfK-Aktie vergangene Woche um bis zu 21 Prozent ein. Seither hat er sich nicht wieder erholt.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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