Gesundheitswesen:Mediziner gegen freie Arztwahl

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Von wegen freie Wahl: Kassenmediziner wollen erreichen, dass Patienten einer Praxis treu bleiben.

Guido Bohsem, Mainz

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) wollen die Zahl der Arztbesuche senken. Das häufige Wechseln von einem Arzt zum anderen müsse reduziert werden, sagte der Chef der Bundesorganisation, Andreas Köhler, auf einer Vertreterversammlung seiner Organisation in Mainz. Dies könne nur durch eine bessere Steuerung der Patienten geschehen.

Deutsche Patienten gehen im internationalen Vergleich besonders häufig zum Arzt. (Foto: Foto: dpa)

Im internationalen Vergleich suchen die Deutschen besonders häufig ihren Doktor auf. So sah 2007 jeder Versicherte im Schnitt 18 mal einen Arzt. Auch die Einführung der Praxisgebühr im Jahr 2004 verhinderte den Anstieg nicht. Zwischen 2004 und 2007 stieg die Zahl der Arztkontakte um 8,4 Prozent. Rechnerisch behandelte damit jeder niedergelassene Arzt pro Tag 38 Patienten. Köhler betonte, es gehe der KV nicht darum, mehr Geld für die Ärzte zu fordern, sondern darum, dass die Ärzte wieder mehr Zeit für ihre Patienten erhalten.

Um das zu erreichen, gibt es mehrere Alternativen. Ein Vorschlag des Vorsitzenden der KV-Nordrhein, Leonhard Hansen, für jeden Arztbesuch eine Gebühr von fünf bis zehn Euro zu verlangen, sei jedoch keine gemeinsame Position innerhalb des KV-Systems. Köhler schlug vor, Patienten künftig die Wahl zwischen drei unterschiedlichen Tarifen anzubieten. So könnten sich die Versicherten entscheiden, ob sie alles wie bislang haben möchten, nämlich die freie Wahl des Haus- und Facharztes ohne separate Rechnung. Auch die bisherige Praxisgebühr bliebe erhalten.

Die zweite Variante wäre eine abgespeckte Version des ersten Tarifs. Hier wäre die Auswahl des Facharztes eingeschränkt: Ein Versicherter dürfte einen Spezialisten nur aufsuchen, wenn er vorher eine Überweisung durch seinen Hausarzt erhalten habe. Auch hier rechne der Mediziner weiterhin direkt mit der Kasse und nicht über den Patienten ab. Allerdings könne die Praxisgebühr unter Umständen entfallen. Die dritte Variante sieht nach Köhlers Worten eine Abrechnung vor, wie sie zwischen Arzt und privat Versicherten üblich ist. Das heißt, der Arzt schreibt eine Rechnung, die der Patient zunächst bezahlt und dann erst bei seinem Versicherer einreicht.

Belastungsgrenzen erreicht

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erteilte den Überlegungen eine Absage. Es solle bei der Praxisgebühr einmal im Quartal bleiben, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Bei den Zuzahlungen sind für viele Menschen die Grenzen erreicht." Kostensenkungen nach der Wahl schloss Schmidt nicht aus. Als Beispiel nannte sie den Arzneimittelbereich. Zur Finanzierung des Systems stellte sie zudem neue Mittel aus den Kassen des Bundes in Aussicht.

Schon bei den Verhandlungen zur Gesundheitsreform 2007 habe die SPD einen Zuschuss von 25 Milliarden Euro aus Steuermitteln gefordert. "Mein Ziel ist es, in der nächsten Legislaturperiode diese Reform auf den Weg zu bringen", sagte Schmidt. Damit sollten die Leistungen der gesetzlichen Kassen für die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen ausgeglichen werden. Nach derzeitigen Plänen soll der Zuschuss aus den Staatskassen bis zum Jahr 2012 auf 14 Milliarden Euro angehoben werden.

Für ihren Vorschlag erntete die Gesundheitsministerin scharfe Kritik aus der Union. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn lehnte eine höhere Zuzahlung durch die Steuerzahler rundum ab. "Wer solche Summen in den Raum stellt, muss auch sagen, wie er sie finanzieren will", sagte Spahn der SZ. "Es ist nicht meine Vorstellung von Nachhaltigkeit, wenn die Kinder von heute ihre Beitragsfreiheit in 20 Jahren zurückzahlen müssen", so Spahn.

© SZ vom 19.05.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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