Gesundheitspolitik:Einschränkung zu Lasten der Patienten

Lesezeit: 2 min

Eine Pflicht zum Hausarztbesuch soll vor allem die Mediziner vor mehr Wettbewerb schützen.

Nina von Hardenberg

Ärzte sind freiheitsliebende Menschen. Sie sind schnell misstrauisch, wenn sie wittern, dass sie jemand irgendwie einschränken will. Doch die eigene Freiheitsliebe scheint für die Patienten nur eingeschränkt zu gelten.

Denn ausgerechnet die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat jetzt vorgeschlagen, die freie Arztwahl der Patienten erheblich einzuschränken. Künftig sollen Kassenpatienten verpflichtet sein, vor einem Facharztbesuch in jedem Fall zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen.

Der Vorschlag mutet seltsam an, da sich die Mediziner doch sonst staatliche Einmischung stets verbitten. Die Begegnung zwischen Arzt und Patient dürfe auf keinen Fall von außen bestimmt oder vorgeschrieben werden, heißt es in einem Papier zum diesjährigen Ärztetag. So liegt die Vermutung nahe, dass sich die niedergelassenen Ärzte damit vor dem rauer werdenden Wettbewerb schützen wollen.

Mit der Gesundheitsreform hat sich dieser Wettbewerb in der Patientenversorgung verschärft. Außerdem wurde die strikte Trennung zwischen der ambulanten Versorgung in Arztpraxen und der stationären Versorgung in Krankenhäusern aufgeweicht. Krankenhäuser dürfen jetzt auch einige hochspezialisierte ambulante Behandlungen anbieten, etwa in der Strahlentherapie. Die engere Vernetzung von Krankenhaus und niedergelassenen Praxen ist sinnvoll. Doch die niedergelassenen Ärzte müssen sich angesichts der neuen Konkurrenz tatsächlich fragen, wie sie damit umgehen.

Der Vorschlag, den KBV-Chef Andreas Köhler dazu macht, ist allerdings so wenig neu wie überzeugend. Auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat mit der Gesundheitsreform bereits Ähnliches versucht: Schon jetzt müssen die Krankenkassen ihren Versicherten einen Hausarzttarif anbieten, bei dem sich die Patienten verpflichten, immer zuerst ihren Hausarzt aufzusuchen.

Der Hausarzt soll somit eine Art Lotsenfunktion übernehmen, er soll unnötige Facharztbesuche und teure Doppeluntersuchungen vermeiden. Bislang ist dieses Modell jedoch freiwillig. Aus gutem Grund. Denn nicht jeder Patient lässt sich gerne vorschreiben, zu welchem Arzt er gehen soll. Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zeigt zudem, dass sich Patienten, die an Hausarztmodellen teilnehmen, nicht besser versorgt fühlen als andere. Auch gehen viele Patienten aus solchen Modellprojekten weiterhin zum Facharzt, was die intendierte Steuerungsfunktion der Regelung zunichte macht.

Ein Ärztevertreter, der fordert, dieses Modell zur Pflicht zu machen, bevor es sich überhaupt bewährt hat, macht sich verdächtig. Geht es ihm vielleicht nicht primär um das Wohl der Patienten, sondern um das eigene? Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen, hat Köhler selbst mit Blick auf den schärferen Wettbewerb gesagt. Die Pflicht, zuerst zum Hausarzt zu gehen, wäre eine neue Mauer im System.

© SZ vom 21.5.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: