Gespräch mit Wirtschaftsethiker Josef Wieland:Auf der Suche nach dem Besseren

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Die schönste unter den Bananen hat nun auch innere Werte bekommen: Chiquita will mit einem Gütesiegel das einst desolate Image aufbessern. Andere Unternehmen versuchen, gleich präventiv zu handeln.

Hans von der Hagen

Nun also ein grüner Frosch. Er macht sich seit einigen Tagen auf Bananen breit, direkt unter der blauen Miss Chiquita. Der Frosch, er ist das Logo der Umweltorganisation Rainforest Alliance, dokumentiert den bemerkenswerten Wandel eines Unternehmens, das noch vor wenigen Jahren in der öffentlichen Meinung zu den Schmuddlern der Branche zählte.

Chiquita Brands International - das stand vor allem unter dem früheren Namen United Fruit Company für Bananenrepublik, Plantagenpolitik und Pflanzengiftschauer. Hinzu kam dann noch die Flucht unter Chapter 11 des US-Gesetzes, sprich: die Insolvenz.

"Wegweisende Standards" zu Weltmarktpreisen

In den neunziger Jahren, "inmitten einer Welle besonders intensiver Medienschelte", entschloss sich das Unternehmen, nicht "lediglich auf die geäußerte Kritik einzugehen", sondern "wegweisende Standards für unsere Tätigkeit" zu definieren, wie der frühere Firmenschef Steve Warshaw 2001 im ersten "Bericht zur Unternehmensveranwortung" formulierte.

Die "wegweisenden Standards" wurden vor allem von der Rainforest Alliance übernommen, die als externe Instanz die Einhaltung bestimmter ökologischer Kriterien bei der Bananenproduktion begutachtet - etwa die Verringerung chemischer Pflanzenmittel, die Verbesserung der Wasserqualität und die Einführung von Recycling-Systemen.

Schon im Jahr 2000 produzierten alle 127 unternehmenseigenen Plantagen des Konzerns gemäß den Richtlinien der Umweltorganisation. Der Frosch, der jährlich neu verdient sein will, kam allerdings erst jetzt. Und so grün er auch sein mag: Er steht für nachhaltige Produktion, ist aber nicht mit einem Bio- oder Fair-Trade-Etikett zu verwechseln.

Daneben wurden die Normen des Sozialstandards SA 8000 in den Verhaltenskodex des Unternehmens aufgenommen. Die SA 8000 wurden von der Akkreditierungsgesellschaft der US-Verbraucherorganisation Council for Economic Priorities entwickelt, die vor allem für ihren Einkaufsführer "Shopping for a better world" bekannt ist. Der SA 8000 gilt als besonders weit entwickelt und hat Chancen, globaler Mindestsozialstandard zu werden.

Überraschender noch aber mögen die Vereinbarungen mit den lokalen Gewerkschaften gewesen sein. Chiquita war der erste multinationale Konzern, der sich zu einem solchen Schritt durchringen konnte.

Die Wandlung der einst als Octopus, als Krake bekannten United Fruit Company ist vielleicht ein besonders prägnantes Beispiel, und doch nur eines für eine Entwicklung, die mittlerweile viele Unternehmen erfasst hat.

Und es sind nicht allein die Verbraucher, die solche Prozesse etwa mit Ablehnung bestimmter Fertigungsprinzipien einfordern. Oder die Politik, die von Unternehmen die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards verlangt.

Auch die Firmen selbst haben erkannt, dass das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter enorme Risiken birgt.

"Wie die großen Betrugsfälle wie Enron oder Worldcom in den Vereinigten Staaten gezeigt haben, geht es nicht nur um ein paar tausend oder hundertausend Dollar, sondern zuweilen gleich um die Existenz", sagt Wirtschaftsethiker Josef Wieland, Direktor und Mitgründer des "Konstanz Institut für WerteManagement" an der dortigen Fachhochschule.

Wenn ein Unternehmen sich also einen Katalog von Mindeststandards verordnet, soll letztlich die Stabilität der Organisation gesichert werden. "Auch Wachstum lässt sich nur generieren, wenn man sensibel und hellwach ist, sich gewissermaßen draußen umschaut, was über einen gedacht wird".

Zu allgemein

Dafür sei die Kultur- und Wertefrage ein wichtiger Punkt. Manche der Risikoagenturen in London nähmen ein Engagement in Wertemanagement und Unternehmenethik bereits als Indikator dafür, inwieweit eine Organisation in der Lage ist, sich rasch auf Chancen und Risiken in der Zukunft einzustellen.

Doch wie passt das zusammen: Einerseits das wachsende Interesse von Unternehmen an Einführung von Mindeststandards, andererseits die Kritik des UN-Generalsekretär Kofi Annan an der mangelnden Beteiligung vor allem kleinerer deutscher Unternehmen an dem wohl bekanntesten Wertekodex, dem "Global Compact" der Vereinten Nationen?

Der Global Compact sei zu allgemein gehalten, die Ziele seien kaum in konkrete Projekte zu fassen, beanstandet Wieland. In dem Kodex steht etwa, dass die Wirtschaft sich nicht zum Komplizen von Menschrechtsverletzungen machen dürfe, das sie gehalten ist, alle Formen der Zwangs- oder Pflichtarbeit zu beseitigen und sich für die tatsächliche Abschaffung der Kinderarbeit einsetzen soll.

"Da geben sie nach außen hin ein moralisches Versprechen, an dem sie gemessen werden können. Doch sie können Kinderarbeit nicht so einfach abschaffen. Sie können Sozialstandards nicht auf jedes gewünschte Niveau anheben. Sie können nicht ohne weiteres in jedem Land der Welt der Kriminalität entfliehen." Beseitige man die Kinderarbeit, würde den Familien eine wichtige Einnahmequelle fehlen. Oder Kinder, die nicht arbeiteten, könnten im Dorf als Faulpelze sozial isoliert werden.

Umsetzen ließen sich nur konkrete Programme: Ein Ausstieg aus der Kinderarbeit könne initiieren werden, wenn Mindeststandards festgelegt würden. Etwa, dass Kinder unter 14 Jahren nicht im Unternehmen arbeiten dürften und dass die Arbeitszeit auf eine bestimmte Stundenzahl begrenzt werde. Oder dass die Unternehmen täglichen Unterricht ermöglichten und die Schule gleich mitbauten.

Ähnliche Probleme gebe es bei der Auswahl der Lieferanten: "Die Großlieferanten lassen sich relativ gut kontrollieren, nicht aber die vielen kleinen Lieferanten und erst recht nicht die unzähligen Sublieferanten. Für was genau erklären sie sich dann verantwortlich?"

Beredtes Schweigen

Und so käme es zu der paradoxen Situation, dass gerade die Unternehmen, die sich anstrengten, plötzlich öffentlich vorgeführt zu werden drohten. Dann wären Firmen besser dran, die gar nichts sagten.

Ein Unternehmen, dass sein Verhalten bestimmten Standards anpassen wolle, müsse im Kleinen beginnen. Und erst wenn ein Projekt erfolgreich verlaufe, könne das Vorhaben nach und nach auf die ganze Organisation ausgedehnt werden. Doch nur ein Papier mit Leitlinien konzernweit an die Wand zu nageln, "ist irrelevant", sagt der Konstanzer Philosoph und Volkswirtschaftler.

Erst die Konkretisierung der Ziele ermögliche es, auch die kompatiblen Anreize zu setzen. "Sie können nicht einerseits die Korruption weltweit bekämpfen wollen, dann aber ihre Mitarbeiter in China ausschließlich nach Erfolg bezahlen. So stürzen sie sie in Konflikte."

Wenn Konzerne sich mit der Selbstbindung an Standards aus dem Fenster lehnen, möchten sie das auch zeigen. Doch vielfach tun sich Unternehmen mit der Kommunikation ihrer Projekte im Bereich des Wertemanagement schwer.

Untersuchungen hätten gezeigt, so Wieland, dass Broschüren allein nicht gut ankämen. "Sie können nicht von sich selbst behaupten, dass sie moralisch handeln. Das können nur andere von ihnen sagen. Wenn sie in einem Prospekt bloß ihre Erfolge auflisten, dann führt das zu der Reaktion: 'Stimmt das überhaupt, oder ist das nur wieder Hochglanz.' Dann ist es glaubwürdiger zu sagen: 'Wir haben uns dieses oder jenes Ziel vorgenommen, aber es leider nur zu 30 Prozent erfüllt' - und auch die Gründe dafür zu nennen."

Die Kommunikationspolitik in diesem Bereich müsse kreativer werden. Wichtig sei beispielsweise der Dialog mit interessierten Verbrauchern und Organisationen, etwa im Rahmen von Symposien oder von Internetchats.

Auch Chiquita lässt die Interessenten auf der Webseite nicht im Unklaren, was im Sinne der Corporate Responsibility, also der Unternehmensverantwortung, getan wird - und verschweigt dabei nicht die Misserfolge.

Künftig werden auch die Kunden unmittelbar an den Obstständen mehr darüber erfahren, warum ihre Banane einen grünen Frosch trägt.

Denn eines ist auch klar: Der Fruchtriese will nicht nur ein besseres Image haben, sondern vor allem mehr verkaufen. "Wir haben eine aggressive Marketing-Kampagne in Europa gestartet, um die Marke Chiquita zu stärken", erläuterte das Unternehmen jüngst die eigene Sicht der Dinge im Rahmen einer Telefonkonferenz den Finanzmarktanalysten.

Der Gebrauch nachhaltiger Produktionsverfahren sei für viele europäische Konsumenten außerordentlich wichtig. Erste Ergebnisse der Marktforschung hätten bereits gezeigt, dass das Vertrauen in die Marke Chiquita deutlich zugenommen habe. Überdies sei die Bereitschaft der Verbraucher "um 62 Prozent" gewachsen, für Chiquita-Bananen mehr als für andere auszugeben.

Doch Kunden müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie die blaue Prämie nicht zahlen wollen: Denn auch die günstigeren Bananen aus dem Hause Chiquita, etwa die Marken Consul oder Amigo, werden froschgerecht produziert. Nur: Sie sehen nicht so schön aus.

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