General Motors:Was schlecht ist für Amerika

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Die Pleite des Auto-Zulieferers Delphi demonstriert, wie trübe es um Amerikas Fahrzeugindustrie steht. Auch GM könnte bald Insolvenz anmelden.

Karl-Heinz Büschemann

Amerika gilt als Vorbild, als eine Nation, die mit wenig Staatseingriffen eine Wirtschaftsdynamik erzeugen kann, von der die Deutschen nur träumen können. Eine Arbeitslosenquote von fünf Prozent und Wachstum von mehr als drei Prozent pro Jahr scheinen das zu belegen.

Man muss genau hinsehen, um die Probleme des Landes zu erkennen. Die Pleite des Auto-Zulieferers Delphi zum Beispiel demonstriert, wie schlecht es um Amerikas Autoindustrie steht.

Bald könnten auch General Motors (GM) oder Ford Insolvenz anmelden - mit weitreichenden Folgen für das gesamte Land. Was schlecht ist für GM, kann nicht gut sein für Amerika.

Gefährliche Allianz

Die Autokonzerne, aber auch viele andere Traditionsunternehmen leiden unter den Kosten für die Gesundheit und Altersversorgung ihre Mitarbeiter und Rentner.

Mancher Konzern droht darunter zusammenzubrechen. GM hat der Gewerkschaft der Autoarbeiter die Verringerung dieser Kosten um ein Viertel abgerungen. Ford und Chrysler erwarten Ähnliches. Manches Unternehmen geht in die Insolvenz, um die Gesundheits- und Rentenkosten auf den Staat abwälzen zu können.

Jetzt rächt sich, dass die großen Industriekonzerne ihren gut organisierten Mitarbeitern seit den siebziger Jahren soziale Wohltaten zugestanden, die sie sich nicht leisten konnten.

Eine gefährliche Allianz von Aktionären und Gewerkschaften sorgte dafür, dass die teuren Versprechen durch riskante Anlagen am Kapitalmarkt finanziert wurden, um die Konzernkassen zu schonen. Als die Börsen vor vier Jahren einbrachen, wurde das Desaster deutlich.

Die Renten- und Krankenversicherungen für Millionen Menschen können nur noch durch Zuschüsse der Unternehmen finanziert werden. Dieses soziale Netz reißt aber, weil auch amerikanische Arbeitgeber unter den Druck ausländischer Konkurrenten geraten, die solche Kosten nicht kennen.

Ob die Gewerkschaften Zugeständnisse machen oder ob eine staatliche Behörde im Pleitefall für einen Teil der Sozialkosten aufkommt - Amerikas Arbeitnehmer stehen vor großen Opfern. Sie haben sich darauf verlassen, dass ihr Arbeitgeber für Gesundheit und Rente zahlt.

Der Traum von der sozialen Sicherheit nach jahrzehntelanger Arbeit ist für Millionen Familien verflogen. Vielen droht der Absturz in die Armut. Auch in dem Land, das weltweit als Vorbild gilt, liegt manches im Argen. Der amerikanische Staat, der sich bisher weitgehend weigert, seinen Bürgern ein soziales Netz zu flechten, wird sich dieser Aufgabe nicht mehr lange völlig entziehen können.

© SZ vom 19.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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