Geldpolitik:Zu groß und einflussreich

Lesezeit: 2 min

Im Gespräch: Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Fed (re.) und sein New-Yorker Kolllege John Williams. (Foto: Jonathan Crosby/dpa)

Notenbankchefs sehen die Machtkonzentration von Google & Co kritisch. Bei ihrem jährlichen Treffen in Jackson Hole warnen sie: Das könnte die Gesellschaft spalten.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es gibt einen Charakterzug, der die wichtigsten Notenbanker dieser Welt auszeichnet. Dampfplauderei ist ihnen fremd. Wenn sie öffentlich über ein Thema reden - schon gar das erste Mal - dann muss es wichtig sein für die weltwirtschaftliche Entwicklung. Man durfte deshalb aufhorchen, als die Währungshüter am Wochenende bei ihrem Jahrestreffen in Jackson Hole eine Frage diskutiert haben, die Politik und Gesellschaft schon lange beschäftigen: Schadet die zunehmende Machtkonzentration der amerikanischen Internetkonzerne wie Amazon, Google und Apple dem wirtschaftlichen Wettbewerb und Wachstum sowie den Verbraucher und Arbeitern?

Die Herrscher des Geldes blicken mit zunehmendem Unbehagen auf die milliardenschweren Firmen aus Kalifornien, wo die Leute sehr viel Geld verdienen. "Doch das verbittert die Arbeiter, die nicht bei diesen Superstar-Firmen angestellt sind", sagte Raghuram Rajan, Professor an der Universität Chicago. Er warnte vor einem wachsenden "Groll" der ausgeschlossenen Arbeiterschaft gegenüber den "Wirtschafts-Eliten".

Rajan hat einen guten Ruf, denn er warnte 2005 in Jackson Hole als einer der ersten vor den Gefahren einer globalen Finanzkrise. Der frühere Notenbankchef der Bank of India ist jetzt wieder beunruhigt. "Das Wirtschaftswachstum war stark in den letzten Jahren, doch jetzt ist es fraglich, ob es weiter anhält", so Rajan. Er befürchtet, dass die Preise für Aktien und Immobilien zu hoch gestiegen sein könnten.

Die einflussreichsten Notenbanker treffen sich seit 1981 jedes Jahr in der amerikanischen Kleinstadt Jackson Hole. In der Einsamkeit, fernab der globalen Finanzzentren, diskutieren die akademisch sozialisierten Währungshüter über den Markt und die Welt. Dieses Mal ging es um den zunehmenden Druck der Regierungen auf die Zentralbanken. Die stille Übereinkunft, nach der Politiker die Notenbanker, und Notenbanker die Volksvertreter in Ruhe lassen, droht zu brechen.

Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Federal Reserve kritisiert. Trump befürchtet, dass der unter anderem durch Steuersenkungen beeinflusste Boom der amerikanischen Wirtschaft durch zu hohe Leitzinsen abgewürgt werden könnte. Federal-Reserve-Chef Jerome Powell sagte in Jackson Hole, er wolle die Leitzinsen auch weiter "moderat" erhöhen. Die Notenbank hatte noch unter der Leitung von Powells Vorgängerin Janet Yellen im Jahr 2015 damit begonnen, den Leitzins schrittweise zu erhöhen. Zuvor hatte es über einen Zeitraum von fast zehn Jahren keine Zinsanhebungen gegeben. Nach der Finanzkrise 2008 verfolgte die Notenbank praktisch eine Null-Zins-Politik und kaufte Anleihen im Wert von Billionen Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) folgte dieser lockeren Geldpolitik erst einige Jahre später. Auch in Europa mischen sich Politiker immer unverblümter in die Geldpolitik ein. Sie halten wenig von steigenden Zinsen und möchten, dass die EZB ihr Anleihekaufprogramm 2019 fortsetzt.

Die Notenbanker mögen diese politische Einmischung natürlich nicht. Sie haben sie sich zum Teil aber selbst zuzuschreiben, denn die billionenschweren Rettungsprogramme der Federal Reserve, Bank of England und EZB werfen eine demokratietheoretische Frage auf: Dürfen Notenbanker, die von Regierungen berufen werden und nicht vom Volk gewählt sind, dem haftenden Steuerzahler solche Risiken aufbürden?

Die Währungshüter stehen durch die Rettungspolitik nun im Rampenlicht und müssen sich an diese Rolle gewöhnen. Die Rettung der Großbanken in der globalen Finanzkrise habe in der Öffentlichkeit zu einem "gewaltigen Vertrauensverlust" gegenüber Zentralbankern geführt, sagte Rajan laut der Nachrichtenagentur Bloomberg. Er bezeichnete Notenbanker als "Inbegriff der Elite", sie "sprechen in einer Sprache, die niemand versteht". Ein Novum: Rajan empfiehlt den scheuen Kollegen mehr Volksnähe.

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: