Geldpolitik:Verluste für die EZB

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Die Notenbank leidet unter der Krise beim Möbelhersteller Steinhoff - eine Folge ihres umstrittenen Kaufprogramms für Anleihen. Ihr drohen Verluste mit einem riskanten Wertpapier, das schlecht zur Aufgabe der Währungshüter passt.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Dass Anleger an den Finanzmärkten auch Geld verlieren können, ist normal. Aber nicht ganz so normal ist es, wenn auch eine Notenbank Geld verliert, weil sie auf ein falsches Wertpapier gesetzt hat. Genau mit dieser Möglichkeit muss sich nun aber die Europäische Zentralbank (EZB) anfreunden, denn sie hat Anleihen eines Unternehmens gekauft, das nun in einer schweren finanziellen Krise steckt - das könnte die Notenbank im schlimmsten Fall einige Hundert Millionen kosten.

Es handelt sich dabei um den südafrikanisch-deutsche Möbelkonzern Steinhoff. Bei Steinhoff steht der Vorwurf der Bilanzfälschung im Raum. Entsprechend stark sind die Kurse für Aktien und Schuldscheine gefallen. Im Falle einer Pleite muss die EZB das Geld als Verlust komplett abschreiben. Würde sie das Wertpapier jetzt verkaufen, bliebe ein Minus von rund 50 Prozent. Beides wäre peinlich für die Notenbanker, die sich gern als Gralshüter der Stabilität geben.

Warum erwerben die Stabilitätshüter riskante Anlagen?

Warum erwirbt die EZB überhaupt solch eine riskante Anleihe? Die Antwort führt mitten rein in das umstrittene Kaufprogramm, mit dem die Notenbank Anleihen erwirbt. Seit über vier Jahren hat sie jeden Monat Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro erworben: von Staaten, aber eben auch von Firmen. Ab dem Beginn kommenden Jahres werden es noch 30 Milliarden sein. Die Notenbank ist mit 1,8 Billionen Euro der größte Gläubiger der Euro-Staaten, gleichzeitig hält sie Unternehmensanleihen im Wert von 128 Milliarden Euro. Das Kaufprogramm soll den Zinssatz absenken und die Wirtschaft ankurbeln. Inzwischen wächst die Euro-Zone so stark wie seit 2007 nicht mehr. Es ist daher gut möglich, dass die EZB die Zukäufe im nächsten Jahr beendet. Danach will sie die Schuldscheine solange halten, bis sie fällig werden. Bei Staatsanleihen scheint das Risiko überschaubar, denn einzelne Euro-Staaten gehen nicht pleite. Sie werden im Ernstfall von der Gemeinschaft gerettet.

Anders läuft es bei Firmenanleihen: Aktuell brummt die Wirtschaft, die Kreditausfälle sind daher niedrig. Wenn sich die Wirtschaft in einiger Zeit wieder abschwächt, steigt die Rate der faulen Firmenkredite. Das ist in Abschwüngen immer so. Damit wächst die Gefahr, dass die EZB Verluste macht.

Das Programm zum Ankauf von Firmenanleihen begann im Juni 2016, die EZB hält mittlerweile 1055 Firmenanleihen. "Mit 22 Bonds führt Daimler die Liste der meistgekauften Emittenten an, gefolgt von BMW und dem italienischen Energiekonzern Eni", schreiben die Experten der Landesbank Baden-Württemberg ( siehe Grafik). Weitere Unternehmen, bei deren ausstehenden Anleihen die EZB eine signifikante Beteiligung habe, seien die Deutsche Bahn, Anheuser-Busch, Telefonica und die Deutsche Telekom. Die EZB kaufe vor allem Unternehmensanleihen aus Frankreich und Deutschland, den beiden wirtschaftlich stärksten Euro-Staaten.

Kritiker bemängeln, die EZB würde mit dem Kaufprogramm börsennotierte Großkonzerne bevorzugen, während kleine Betriebe bei ihren Geschäftsbanken mitunter nur schwer an einen Kredit kämen. Die Notenbank selber gibt keine Information darüber, wie hoch ihr Investment in einzelnen Unternehmen ist. Sie versucht aber den Gesamtmarkt für Anleihen abzubilden. Wenn etwa VW in Europa der größte Anleiheemittent ist, dann kauft die EZB anteilig entsprechend viele VW-Bonds. In die Auswahl kommen prinzipiell alle europäischen Firmenanleihen, die eine gute Bonität haben, mindestens ein Rating BBB-.

Die Ratingagentur Moody's hat die Kreditwürdigkeit von Steinhoff inzwischen auf Ramschniveau abgesenkt. Die EZB könnte das Wertpapier also verkaufen, sie muss es aber nicht tun. Die Steinhoff-Anleihe hat ein Volumen von 800 Millionen Euro bei einer Laufzeit bis ins Jahr 2025. Die EZB darf maximal 70 Prozent eines Schuldscheins kaufen. Das wären bei Steinhoff 560 Millionen Euro. In Finanzkreisen heißt es, die EZB habe weniger als den Maximalbetrag investiert. Ein Verlust wäre schmerzlich, doch die Zinseinkünfte anderer Firmenanleihen können das wettmachen.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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