Geldpolitik:Lukrative Stelle

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Notenbank-Chef Mark Carney verlässt London Ende Januar 2020. (Foto: Pool New/Reuters)

London sucht einen Notenbankchef. Der Posten bringt 480000 Pfund - und viel Ärger.

Von Björn Finke, London

Das Rennen um Mark Carneys Nachfolge ist offiziell eröffnet: Am Mittwoch veröffentlichte die britische Regierung im Internet die Stellenausschreibung für den Posten des Gouverneurs der Bank of England. Carney tritt Ende Januar 2020 als Chef der Notenbank ab, nachdem er seine Amtszeit zweimal wegen der Brexit-Querelen verlängert hat. Der Kanadier - der erste Ausländer an der Spitze des 1694 gegründeten Instituts - führt die Bank seit Juli 2013.

Der Ausschreibung zufolge erhält sein Nachfolger 480 000 Pfund im Jahr, genauso viel wie Carney. Interessenten sollen bis 5. Juni einen Lebenslauf und ein maximal dreiseitiges Motivationsschreiben einreichen, plus die Namen von zwei Kollegen, bei denen die Bank Referenzen einholen kann. Noch im Sommer sollen die Bewerbungsgespräche stattfinden, die Entscheidung soll bis Oktober fallen. Organisiert wird die Auswahl von der Personalberatung Sapphire Partners. Die Regierung hofft, dass der neue Gouverneur acht Jahre bleibt, würde aber eine kürzere Amtszeit akzeptieren.

Schatzkanzler Philip Hammond sagte am Mittwoch im Parlament, es sei sehr wichtig, dass der Gouverneur "nicht nur einen erstklassigen Job zu Hause machen kann, sondern auch Respekt in der internationalen Arena genießt". Britische Medien spekulieren, Hammond wolle wieder einen Ausländer nach London locken, der bereits weltweit Erfahrungen gesammelt hat und unter Währungshütern hoch angesehen ist - ganz ähnlich wie Carney bei seiner Berufung damals.

Als aussichtsreicher Kandidat gilt etwa Raghuram Rajan. Der 56-jährige Inder war Notenbankchef in seiner Heimat, außerdem arbeitete er als Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds. Im Moment ist er Professor an der Universität von Chicago. Chancen könnte auch Agustín Carstens haben, der mexikanische Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in der Schweiz.

Sollte dagegen ein Brite Carney beerben, darf sich Andrew Bailey Hoffnungen machen, der Leiter der Londoner Finanzaufsicht Financial Conduct Authority. Interne Lösungen für die Nachfolge wären Ben Broadbent und Jon Cunliffe, beide stellvertretende Gouverneure der Bank of England. Andy Haldane, der Chefvolkswirt der Notenbank, wird ebenfalls genannt, allerdings gelten seine Ansichten als zu links für den Geschmack der konservativen Regierung.

Außerdem sollen zwei Frauen im Rennen sein: Shriti Vadera und Minouche Shafik. Als Labour noch die Regierung stellte, war Vadera Staatssekretärin. Heute führt sie den Aufsichtsrat von Santander UK, der britischen Tochter der Bank aus Spanien. Shafik war stellvertretende Gouverneurin der Bank of England, bevor sie vor anderthalb Jahren Direktorin der angesehenen Universität London School of Economics and Political Science wurde.

Carney wollte die Notenbank ursprünglich nur bis Sommer 2018 leiten. Doch ein Wechsel auf dieser wichtigen Position während der Brexit-Verhandlungen hätte zu Unruhe an den Finanzmärkten führen können. Daher verlängerte der 54-jährige Kanadier, der inzwischen auch einen britischen Pass hat, seinen Vertrag zweimal.

Britische Medien tauften den Volkswirt den "George Clooney unter den Notenbankern": wegen seines Lächelns und seiner schicken Anzüge. Kurz nach seinem Antritt verordnete er der Bank of England die größte Umorganisation, seit diese 1997 Unabhängigkeit von der Politik erlangt hatte. Ein weiteres bleibendes Erbe ist, dass Carney Geldscheine aus Plastik einführte.

Nach dem EU-Referendum senkte er die Zinsen, da er einen Abschwung befürchtete. Ende 2017 erhöhte er sie wieder. Der Ökonom zog den Zorn vieler Brexit-Fans bei den Konservativen auf sich, weil er vor den Risiken des EU-Austritts für die Wirtschaft warnte. Jacob Rees-Mogg, Brexit-Vorkämpfer in der Regierungsfraktion, nannte ihn einmal einen "gescheiterten zweitklassigen kanadischen Politiker". In gut neun Monaten darf sich ein anderer Gouverneur mit Rees-Mogg und dem Brexit herumärgern.

© SZ vom 25.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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