Geldpolitik:Billionen-Dealer

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Mit sehr viel Geld haben die Zentralbanken die Märkte geflutet. Der Erfolg dieser Politik zur Rettung des Finanzsystems ist heftig umstritten. Unter den Nebenwirkungen leiden Sparer bis heute.

Von Catherine Hoffmann, München

Es ist fast unglaublich, wie radikal die Notenbanken ihre Politik verändert haben, seit die Finanzkrise vor zehn Jahren ausbrach. Und wie viele Billionen sie bewegt haben. Als erst Banken und dann Staaten wankten, griffen die Notenbankpräsidenten in den USA und Europa zu außergewöhnlichen Mitteln: Sie senkten die Leitzinsen auf null Prozent, pumpten Tausende Milliarden Euro und Dollar in die Märkte, manipulierten die Erwartungen der Anleger, kurz: sie gaben alles, um Depression und Deflation abzuwenden.

Die Folgen dieser Politik sind gewaltig. Der Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren im großen Stil führte dazu, dass die Bilanzen von Europäischer Zentralbank (EZB) und Federal Reserve heute mächtig aufgebläht sind ( Grafik). Nicht nur Kritiker fragen bang: Wie kommen die Notenbankchefs da wieder raus? Und was hat diese Politik des außergewöhnlich lockeren Geldes, die im Englischen Quantitative Easing (QE) heißt, überhaupt gebracht? In der Geldpolitik ist sie eigentlich nicht vorgesehen, die dreht sich vor allem um Zinsen. Doch die Umstände waren eben auch außergewöhnlich.

Ihre Wirkung hat die beispiellose Geldpolitik nicht verfehlt. "Wenn man die Folgen der Finanzkrise 2008 mit jenen der Großen Depression von 1929 vergleicht, dann haben die Notenbanken einen guten Job gemacht", sagt Adalbert Winkler, Professor an der Frankfurt School of Finance, der auch schon ein paar Jahre für die EZB gearbeitet hat. Als Notmaßnahme für die erste Zeit, als die Märkte erstarrten und keiner mehr dem anderen traute, waren die neuen Mittel der Geldpolitik richtig. Daran zweifeln nur wenige Ökonomen. "Sonst hätte es einen totalen Absturz des globalen Finanzsystems gegeben", sagt auch Thomas Mayer. Der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der nun das Forschungsinstitut des unabhängigen Vermögensverwalters Flossbach von Storch leitet, hält aber nichts davon, dass der geldpolitische Ausnahmezustand zur Normalität wird. "Es ist sehr zweifelhaft, wenn die quantitative Lockerung eingesetzt wird, um das Inflationsziel von knapp zwei Prozent zu erreichen."

Wohin mit dem Geld? Diese bange Frage stellen sich immer mehr Anleger

Die Tatsache, dass sich die Inflationsraten in den USA und dem Euro-Raum zuletzt bei rund zwei Prozent eingefunden haben, hat jedenfalls weniger mit den Milliarden der Notenbanken zu tun als mit dem Anstieg des Ölpreises. Das ist aus Sicht der Notenbanker ein kleiner Lichtblick - die Deflationsgefahr scheint gebannt zu sein - aber noch kein Beweis dafür, dass dauerhaft niedrige und stabile Teuerungsraten erreicht sind.

Auch die Konjunkturentwicklung kann allenfalls als halber Erfolg verbucht werden: Die Weltwirtschaft ist auf dem Weg der Genesung. Vor allem die USA haben sich vom tiefen Konjunktureinbruch im Jahr 2009 erholt, allerdings sind die Wachstumsraten heute niedriger als vor der Krise. Schwächer fällt die Erholung in Europa aus, wo vor allem Deutschland mit erfreulichen Wachstumsraten hervorsticht. Doch in Griechenland, Italien und Portugal schwächelt die Wirtschaft. Und Athen ist auf weitere Finanzhilfen der europäischen und internationalen Geldgeber angewiesen, sonst droht dem Land im Sommer die Zahlungsunfähigkeit.

Dass es in den USA besser aussieht als in Europa könnte damit zu tun haben, dass die Fed aus dem Studium der Großen Depression und der japanische Malaise gelernt und schnell entschlossen gehandelt hat. Bereits im November 2008, wenige Monate nach der Lehman-Pleite, begann sie, massenhaft Wertpapiere zu kaufen, die durch Hypotheken besichert sind. Bald folgten weitere Ankaufprogramme, die auch Staatsanleihen einschlossen. Die EZB zögerte lange. Sie begann erst Ende 2011, Staatsanleihen aus Krisenländern zu kaufen, als die Währungsunion kurz vor dem Zusammenbruch stand. Und es dauerte noch einmal drei Jahre, bis sie ein "erweitertes Programm zum Ankauf von Vermögenswerten" ankündigte, es war der offizielle Einstieg ins Quantitative Easing. "Wenn man ein verhältnismäßig ineffektives Instrument spät einsetzt, um Preisstabilität zu erreichen, hat es keine große Durchschlagskraft mehr", glaubt Winkler. Sind die Leitzinsen erst mal bei null, ist die Geldpolitik nicht mehr besonders effektiv.

Die Erfolge des jahrelangen Gelddruckens mögen bescheiden sein, aber die Nebenwirkungen sind gewaltig: Am Anleihenmarkt, wo die Nachfrage der Währungshüter die Kurse in die Höhe treibt und die Renditen fallen lässt, entstehen Preisblasen; auch am Aktienmarkt sind die Bewertungen schon deutlich gestiegen. Die niedrigen, teils negativen Zinsen frustrieren Sparer und Lebensversicherer, sie belasten die Pensionspläne der Unternehmen und höhlen das Geschäftsmodell vieler Banken und Sparkassen aus. Den Staaten fällt es angesichts der geringen Zinsbelastung zwar leicht, ihre hohen Schulden zu finanzieren. "Doch das ist eine Hypothek für die Zukunft", warnt Mayer. "Sollten die Inflationsraten weiter steigen und Zinserhöhungen nötig werden, sind diese Schulden nicht mehr tragbar." Als besonders gefährdet gelten Staaten mit hoher Schuldenquote wie Italien und Portugal.

Dem Ruf der Notenbanker, die einst unangreifbar waren, haben die Billionen-Deals geschadet. Und so mancher Beobachter fragt sich, ob nicht die Risiken der neuen Geldpolitik die Chancen längst überwiegen. Es wäre nicht das erste Mal, dass lockere Geldpolitik fatale Folgen hätte, glaubt Mayer. Er kritisiert, dass sich die Notenbanker vor allem auf die Güterpreise konzentrieren, die Vermögenspreise aber außer Acht lassen. Genau dies sei der Grund dafür, dass es seit bald 20 Jahren immer neue Spekulationsblasen an den Finanz- und Immobilienmärkten gebe.

Winkler hält die scharfe Kritik für ungerecht: "In der kurzen Frist hat die Geldpolitik immer Nebenwirkungen, und nicht nur auf den Vermögensmärkten. Deshalb haben wir der Geldpolitik auch vorgegeben, das Ziel Preisstabilität primär zu verfolgen." Manche Nebenwirkungen sind sogar erwünscht. So ist ein Anstieg der Vermögenspreise durchaus gewollt, als Zwischenschritt zum eigentlich Ziel, einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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