Gehaltsverzicht des Siemens-Vorstands:Überfällig, aber nicht ausreichend

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Die neue Bescheidenheit des Siemens-Vorstands kommt zu spät. Zur Rettung seiner Glaubwürdigkeit muss Konzernchef Klaus Kleinfeld derzeit vor allem auf seine Hausjuristen hoffen.

Paul Katzenberger

Das Wort "Verzicht" wird in deutschen Vorstandsetagen nicht eben groß geschrieben, zumindest wenn es ums Geld geht. Insofern hat sich Siemens-Chef Klaus Kleinfeld zur Abwechslung mal ausdrücklich ein Lob verdient, nachdem er nun angekündigt hat, der Konzernvorstand werde auf die bereits genehmigte Gehaltserhöhung von 30 Prozent zumindest vorläufig verzichten.

Unter Druck: Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. (Foto: Foto: dpa)

Ob Kleinfeld damit der beabsichtigte Befreiungsschlag gelingt, darf allerdings bezweifelt werden. Dazu drängt sich zu sehr der Eindruck auf, dass die plötzliche Genügsamkeit nicht so sehr Ergebnis innerer Einsicht war, sondern eher eine Kapitulation vor dem äußeren Druck.

Noch am Wochenende hatte Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer die Gehaltserhöhung nicht nur als gerechtfertigt, sondern sogar als notwendig verteidigt. Da Top-Manager anderswo deutlich mehr verdienten, habe Siemens nachziehen müssen. Nur so könne der Konzern künftig Spitzenkräfte anheuern.

Schnell die Meinung geändert

Nach dieser Logik müsste die jetztige Selbstbescheidung sogar einen wirtschaflichen Schaden nach sich ziehen. Doch in Zeiten öffentlicher Empörung können sich Meinungen eben schnell ändern. Vermutlich glaubte die Siemens-Spitze noch vor wenigen Tagen, die Diskussionen über die Gehaltserhöhung aussitzen zu können. Die Insolvenz der früheren Siemens-Tochter BenQ Mobile brachte dann aber das Fass zum Überlaufen. Kleinfeld dürfte es schlicht mit der Angst zu tun bekommen haben.

Doch das Einlenken kommt zu spät - der Karren ist schon im Dreck. Selbst wenn es die Pläne um die satte Gehaltserhöhung niemals gegeben hätte, wäre die Erklärungsnot für den Konzern heute groß genug. Mit der wochenlangen Diskussion um die Gehaltserhöhung ist der eingetretene Imageverlust nun allerdings ungleich größer: Den Konzernlenkern wird inzwischen jede Sauerei zugetraut.

Ob das Misstrauen im Fall der BenQ-Insolvenz berechtigt oder unberechtigt ist, lässt sich derzeit allerdings nur schwer von außen beurteilen. Die Kritiker werfen Siemens vor, die Abwicklung der früheren Handysparte sehenden Auges in Kauf genommen zu haben, als die Sparte nach Taiwan verkauft wurde.

Arbeitsplatzerhalt

Siemens beteuert hingegen, BenQ habe vor allem deswegen den Zuschlag erteilt bekommen, weil die Taiwaner im Gegensatz zu anderen Interessenten den langfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen zugesichert hätten. Die dreistelligen Millionenbeträge, die Siemens seiner notleidenden Tochter mit auf den Weg gab, sollen ebenfalls in erster Linie dem Arbeitsplatzerhalt gedient haben.

Die Wahrheit könnte - wie so häufig - in der Mitte liegen. Vermutlich hatte Siemens tatsächlich ein Interesse am Erhalt der Arbeitsplätze unter den neuen Herren aus Taiwan. Noch wichtiger könnte es den Münchnern allerdings gewesen sein, die Sparte möglichst schnell und geräuschlos loszuwerden. Schließlich fielen die Auflagen, die den Taiwanesen gemacht wurden, allem Anschein nach nicht allzu hart aus.

Nur zwei Rückschlüsse

Noch prüft die Siemens-Rechtsabteilung, ob BenQ vertragsbrüchig geworden ist oder nicht. Sollte es den Justiziaren nicht gelingen, Siemens schwarz auf weiß zu rehabilitieren, bleiben eigentlich nur noch zwei Rückschlüsse: Die Siemens-Führung war bei ihrem Geschäft mit BenQ zwar guten Willens, doch schlicht naiv oder aber sie war zutiefst zynisch. Bleibt einer dieser Vorwürfe im Raum, reicht der jetzt geübte Gehaltsverzicht nicht aus.

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