Gegensignale:Keine Bewegung, kein Schall

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Wie Ingenieure versuchen, störende Geräusche mit einem Gegensignal zu unterdrücken - beispielsweise mit einem Spezial-Kopfhörer. Menschen nehmen Lärm aber auch anders wahr.

Von Helmut Martin-Jung, München

Finde den Fehler: Im gleißenden Schein einer fernen Sonne schwebt das auf Hochglanz polierte Raumschiff durchs Bild, das Geräusch seines Antriebs erinnert an das Heulen eines Formel-1-Boliden. Die Physik der Star-Wars-Filme darf man ja ohnehin nicht besonders ernst nehmen, aber dass man Fluggeräte im luftleeren All hören könnte, ist wirklich nichts als ein Zugeständnis ans Kinopublikum. Schall braucht einen Stoff - ein Gas, einen Feststoff, eine Flüssigkeit - um sich in Wellen auszubreiten, ähnlich wie die Wellen in einem Gewässer, in das ein Stein geworfen wird.

Die Industrialisierung hat die Welt mit Lärm förmlich überzogen, besonders Großstädte sind eine Kakofonie aus meist auch noch recht hässlichen Geräuschen, von der Kreissäge bis zum bremsenden Nahverkehrszug. Nicht nur am Tag des Lärms, der an diesem Mittwoch die Aufmerksamkeit auf die laute Umwelt richtet, sehnen sich viele Lärmgeplagte nach Ruhe wie im All.

Manche tragen auch Kopfhörer und beschallen sich mit einem für sie angenehmeren Lärm. Ein Sonderfall sind dabei die Kopfhörer, die versprechen, den Lärm der Außenwelt nicht bloß abzuschirmen, etwa mit gut gedämmten, ohrumschließenden Hörmuscheln. Sie bekämpfen Lärm vielmehr aktiv, und das geht so: Ein Ton wie etwa der nervtötende Pfeifton beim Fernseh-Testbild besteht aus regelmäßigen Wellenbergen und -tälern. Schickt man nun ein zweites Signal los, das genau versetzt dazu liegt, also dann ein Tal aufweist, wenn beim Original-Ton ein Berg ist, neutralisieren sich beide nahezu völlig. In den Kopfhörern sind dazu Mikrofone eingebaut, die den Schall der Außenwelt aufnehmen und mit digitalen Signalprozessoren analysieren. Dann versuchen sie, auf den Lautsprechern der Hörer elektronisch Schall zu erzeugen, der den Lärm von draußen möglichst neutralisiert.

Verständlicher wird die Prozedur, wenn man sich einen Lautsprecher vorstellt. Der erzeugt Schall bekanntlich so: Die Membran wird durch elektrische Impulse in Schwingungen versetzt, die über die Luft weitergegeben werden. Für den Ton schwingt die Membran 440 Mal pro Sekunde vor und wieder zurück. Was aber, wenn der Lautsprecher bei jeder Bewegung nach vorne gleichzeitig den Impuls erhielte, im gleichen Maß nach hinten zu fahren? Nun, das Ergebnis wäre, die Membran würde sich einfach gar nicht bewegen. Keine Bewegung, kein Schall.

Menschen nehmen Lärm auch über die Schädelknochen auf

Schön wäre es, wenn das nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis vollständig gelänge. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Einen Teil des Schalls nehmen Menschen auch über die Schädelknochen auf - dagegen hilft auch der beste Gegenschall-Kopfhörer nichts. Tiefe Töne lassen sich zudem leichter herausfiltern als hohe, und regelmäßige Geräusche eignen sich besser für Gegenschall als kurze Impulse. Das erklärt, warum man die Kopfhörer mit aktiver Geräuschreduzierung besonders häufig in Flugzeugen sieht. Das sonore Brummen der Motoren in der Flugzeugkabine lässt sich ziemlich gut wegfiltern. Es bleibt nur noch ein wesentlich leichter erträgliches Rauschen übrig.

Rauschen lässt sich bei Kopfhörern mit aktiver Geräuschunterdrückung übrigens nie ganz vermeiden, es ist ein Kompromiss, den man bei dieser Technik eingehen muss. Manche rauschen so stark, dass es das Musikhören durchaus stören kann. Ihr Klang, da digital bearbeitet, ist daher oft nicht so ausgewogen wie bei guten Hifi-Kopfhörern für zu Hause.

Die Technik des Gegenschalls ist aber nicht bloß für Kopfhörer interessant. Auch die Hersteller von Autoelektronik experimentieren damit, um die Motor- und Windgeräusche im Inneren des Fahrzeugs zu reduzieren. Das Gute daran: das Hupen des Hintermanns oder das Martinshorn eines Rettungswagens wäre dennoch zu hören. Das Brummen des Motors oder die Geräusche des Fahrtwindes und das Rollgeräusch der Reifen dagegen ließe sich stark reduzieren.

Auch bei Flugzeugen wird schon seit längerem mit Gegenschall experimentiert und zwar im Hinblick auf die lärmgeplagten Menschen am Boden. Außer dem Strahl, der Düsenflugzeuge antreibt und einen donnernden Lärm erzeugt, produziert auch der Rotor in diesen Triebwerken viel Lärm. Letzterem rücken Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raufahrt (DLR) mit Druckluftdüsen zu Leibe, die Gegenschall produzieren.

Ein ganzer Verbund von Sensoren nimmt dabei den produzierten Lärm auf und steuert die Druckluftdüsen so, dass sich die beiden Geräusche so weit wie nur möglich aufheben. Der Lärm lässt sich damit um etwa zehn Dezibel verringern - für menschliche Ohren wirkt er dadurch nur noch halb so laut. Druckluft wird eingesetzt, weil herkömmliche Lautsprecher den hohen physischen Belastungen in den Triebwerken nicht gewachsen wären. Außerdem haben die Flugzeuge ohnehin schon ein Druckluftsystem. Dieses müsste für die neue Anwendung lediglich angepasst werden.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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