Allein Branchenführer Mattel musste mehr als 20 Millionen Puppen, Figuren und andere Produkte zurückrufen. Sie alle wurden in China produziert, wo weltweit mindestens drei Viertel aller Spielwaren hergestellt werden. Während die in Nürnberg versammelten Manager unablässig versichern, man habe alle nötigen Konsequenzen gezogen und das Problem im Griff, scheint Prüfer Vogel gewisse Zweifel zu hegen. "Im ganzen Jahr 2006 wurden in Ratex 233 Fälle von beanstandetem Spielzeug registriert. Allein in den ersten Wochen 2008 waren es bereits circa 80", rechnet er vor.
Über die mit grauem Filz ausgelegten Messegänge steuern er und sein Kollege Gubitz eine Messehalle voller Holzspielzeug an. Mit grünem Leuchtstift hat Vogel auf einem Hallenplan jene Stände markiert, die an diesem Vormittag kontrolliert werden. Der erste ist so klein wie die Firma, das ihn aufgebaut hat. Die Inhaberin persönlich steht hinter der Messetheke; vom Besuch der unangemeldeten Kontrolleure ist sie nur im ersten Moment überrascht. Die meisten Standbetreiber bleiben gelassen. Vogel und Gubitz interessieren sich vor allem dafür, ob sich Arme, Beine oder Köpfe der winzigen Holzfiguren leicht ablösen lassen. Das tun sie zwar, aber das Spielzeug ist ausdrücklich als ungeeignet für kleine Kinder deklariert. Also nichts zu beanstanden.
Ein Dschungel aus Verordnungen, Normen, Richtlinien
Das Auftreten der beiden Kontrolleure ist unauffällig, sie unterscheiden sich äußerlich nicht von den restlichen Messebesuchern, abgesehen vom Schildchen an Vogels Sakko-Brusttasche. "Regierung von Mittelfranken - Sicherheitstechnische Messekommission" steht darauf in Deutsch und Englisch. An diesem Vormittag werden Fritz Vogel und Franz Gubitz von Daniela Cronenberg vom Deutschen Institut für Normung in Berlin begleitet. Sie will "einmal in der Praxis sehen, wie die Normen, die wir uns so ausdenken, in der Praxis umgesetzt und kontrolliert werden." Für Außenstehende ist es ein undurchsichtiger Dschungel aus Verordnungen, Gesetzen, Richtlinien und Normen, der Spielzeugsicherheit garantieren soll. Brüssel gibt dabei die Richtung vor. Die EU-Spielzeugrichtlinie definiert die Schutzziele. Diese werden von den Mitgliedsstaaten in Gesetze und Verordnungen gegossen.
Wie hoch letztlich die Grenzwerte für Chemikalien in gefärbten Puppenhaaren sind, damit diese nicht mit dem Speichel des nuckelnden Kleinkindes reagieren, oder wie fest das Auge eines Teddys stecken muss, damit selbst kräftige Bubenhände es nicht ausreißen können, regeln Normen bis ins kleinste Detail. Allein 92 Seiten umfasst Teil eins der DIN EN 71-1 über die mechanischen und physikalischen Eigenschaften von Spielzeug, die Fritz Vogel beim Messerundgang in seiner Aktentasche trägt.