Geely investiert:Das Auto hebt ab

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Noch braucht das Flugauto von Terrafugio einen Flughafen und kann nicht senkrecht starten. Das soll sich ändern. (Foto: oh)

Der Volvo-Mutterkonzern kauft eine US-Firma, die fliegende Autos entwickelt. Immer mehr Firmen glauben daran, dass Taxis und private Fahrzeuge in Zukunft die Straße verlassen.

Von Kathrin Werner, New York

Volvo hat ein Schwesterchen bekommen. Auf die Produkte der neuen Firma Terrafugia passen Elch-Aufkleber längst nicht so gut wie auf die Volvo-Kombis - auf deren Produkte müsste man ein geflügeltes Pferd pappen, einen Pegasus-Sticker. Denn Terrafugia baut fliegende Autos. Die chinesische Holding Zhejiang Geely, seit 2010 Mutterkonzern von Volvo, hat die elf Jahre alte Firma aus Boston gerade gekauft.

Wie viel Geely für Terrafugia gezahlt hat, gaben die Unternehmen nicht bekannt. Aber was nach Science Fiction klingt, ist durchaus ernst gemeint. "Dies ist ein enorm aufregender Sektor", sagte Geely-Chef Li Shufu. "Wir glauben, dass Terrafugia bestens positioniert ist, um die Mobilität, wie wir sie heute kennen, zu verändern." Die US-Aufsichtsbehörden, die Übernahmen durch ausländische Konzerne oft kritisch sehen, hatten keine Einwände gegen Geely. Der Sitz des Start-ups, das Absolventen des renommierten Massachusetts Institute of Technology gegründet haben, soll in den USA bleiben. Dank des Geldes aus China hat Terrafugia in den vergangenen Monaten die Zahl der Ingenieure in den USA verdreifacht und ein Forschungszentrum in China eröffnet.

Geely ist nicht allein mit den luftigen Plänen. Auch der Google-Gründer und Multimilliardär Larry Page ist begeistert von der Idee, er hat dem Magazin Businessweek zufolge mehr als 100 Millionen Dollar in zwei Flugauto-Start-ups aus dem Silicon Valley investiert: Zee Aero und Kitty Hawk. Die Karlsruher Firma Volocopter fliegt schon Testflüge mit ihrem Prototypen, einem senkrecht startenden Fluggerät mit Elektroantrieb, 18 Rotoren und Platz für zwei Passagiere. Ehang aus China hat die Technik für eine Taxi-Drohne schon entwickelt und wartet nur noch auf eine Behördenzulassung. Auch Lilium Aviation aus München arbeitet an Elektro-Lufttaxis und hat im September 90 Millionen Dollar als Wagniskapital bekommen. Sogar Airbus ist dabei: Der Prototyp für das autonom fliegende Gefährt namens Vahana steht schon im Bundesstaat Oregon an der US-Westküste für Testflüge bereit.

"Was in den kommenden fünf bis zehn Jahren herauskommt, wird unglaublich."

Terrafugia, die neue Tochter von Geely, will das "Flugauto für jedermann" bauen. Einen Prototypen des ersten Modells namens "Transition" hat das Start-up bereits fertig. Es kann seine Flügel ausklappen und selbststeuernd in die Luft steigen, bislang allerdings nicht senkrecht, es braucht also eine Landebahn und darf nur von Flughäfen aus starten. Die Piloten brauchen eine Fluglizenz und einen Autoführerschein. Parken kann man es in einer normalen Garage. In der Luft fliegt es bis zu 160 Stundenkilometer schnell, zu Land sei es mit typischem Highway-Tempo unterwegs, heißt es bei Terrafugia. Es hat die Zulassung der US-Verkehrsbehörden. 2019 will das Start-up die ersten Flugautos ausliefern. 2023 soll dann ein senkrecht startendes und landendes Modell auf den Markt kommen, bislang heißt es "TF-X". Es soll autonom fliegen und doppelt so schnell sein wie "Transition", angetrieben komplett von Elektromotoren.

Die Menschheit träumt seit Jahrzehnten von Flugautos - und war einer Umsetzung noch nie so nah wie jetzt, sagt Mark Moore. "In den vergangenen fünf Jahren hat es gewaltige Vorstöße bei den zugrunde liegenden Technologien gegeben", sagt der Ex-Mitarbeiter der US-Luftfahrtbehörde Nasa, der nun bei der Taxi-App-Firma Uber an fliegenden Autos arbeitet. Es gebe bereits Schlüsseltechnologien für die Zukunftsmobile: Elektromotoren, Drohnen, Technik für selbstfahrende Autos, Sensoren. "Was in den kommenden fünf bis zehn Jahren herauskommt, wird unglaublich."

Auch Uber will in die Luft. Ein Fahrzeug soll künftig Passagiere zu Hause abholen und sie zu einem "Vertiport" in der Nachbarschaft bringen. Dort steigen sie um in ein fliegendes Gefährt, jetten zum nächsten Vertiport und steigen wieder zurück in ein Boden-Uber. Moore ist seit Kurzem Entwicklungschef der Flug-Sparte der Firma. Schon in zehn Jahren, glaubt er, wird es ein Netz aus Flugtaxi-Routen geben, mit denen die Menschen durch alle großen US-Städte und zwischen Vorort und Arbeitsplatz hin und her fliegen.

Terrafugia aus Boston ist einer der Pioniere der wachsenden Flugauto-Industrie, hat aber in den vergangenen Jahren viele Versprechungen und selbst gesetzte Deadlines nicht gehalten. Nun soll Geely helfen. Der chinesische Konzern ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. In Deutschland ist er vor allem bekannt, weil er 2010 Volvo für 1,8 Milliarden Dollar gekauft hat. Unter Geely ging es wieder aufwärts mit der schwedischen Marke. Nach Volvo kaufte Geely den Hersteller der Londoner Taxis, London Taxi Company. In diesem Jahr kam noch eine Mehrheitsbeteiligung an der britischen Automarke Lotus hinzu, bekannt aus dem James-Bond-Film. Inzwischen gehört Geely zu Chinas größten Autoherstellern.

© SZ vom 17.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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