GDL-Vizechef Weselsky im Portät:Scharfzüngig und machtbewusst

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In der Öffentlichkeit erscheint häufig allein der Vorsitzende Manfred Schell die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer zu verkörpern. Doch bei Kennern gilt Vize Claus Weselsky als klarer Kopf der Gewerkschaft.

Detlef Esslinger

Am Sonntag konnte Claus Weselsky mit der Bahn zuverlässig von Frankfurt am Main nach Leipzig fahren, dem Arbeitsgericht Chemnitz sei Dank.

400 Kilometer Zugfahrt, da ist man mit der "DB Fernverkehr" unterwegs, und für dieses Tochterunternehmen der Bahn hatten die Chemnitzer Richter vor einer Woche alle Streiks verboten.

Als Kunde hat Weselsky von dem Urteil profitiert, ob er es als Vize der GDL akzeptieren wird, will er vom Verlauf dieser Woche abhängig machen: davon, ob es nun endlich vorangeht im Tarifkonflikt mit der Bahn.

Eindruck einer One-Man-Show

In der Öffentlichkeit war es in den vergangenen Monaten lange der Vorsitzende Manfred Schell gewesen, der die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer verkörperte - so sehr, dass sie den Eindruck einer One-Man-Show vermittelt haben mag.

Für deren Widersacher von der Bahn war aber früh klar, dass Schell keineswegs derjenige ist, der das alleinige Sagen hat. Im Gegenteil, manche haben den Vize als den "klaren Kopf" der Gegenseite wahrgenommen, zumindest als denjenigen, "der deutlich schärfer formuliert".

In diesen Tagen konnte auch die Öffentlichkeit sehen, dass Schell allenfalls primus inter pares ist: Hatte der Vorsitzende am Donnerstagabend noch verkündet, für eine Absage des Streiks am Freitag sei es nun zu spät, so teilte sein Stellvertreter am nächsten Morgen unbekümmert mit, organisatorisch wäre das kein Problem gewesen. Weselsky sagt, diese Aussage habe er nicht mit Schell abgestimmt.

In den neuen Ländern stärker als in den alten

Zu den Besonderheiten der GDL gehört, dass sie in den neuen Bundesländern stärker ist als in den alten; normalerweise verhält es sich bei Gewerkschaften in Deutschland genau andersherum.

Der Grund dafür: Nach der Wende traten rund 95 Prozent aller ostdeutschen Lokführer in die GDL ein - und fast alle sind dabeigeblieben. Unter ihnen auch der Streckenlokomotivführer Claus Weselsky, Jahrgang 1959, der von der Einsatzstelle Pirna aus Diesel- und E-Loks nach Zittau, Hoyerswerda und Görlitz fuhr.

In der DDR war er weder Mitglied einer Partei noch einer Gewerkschaft - nach der Wende beschloss er, sich in seinem Berufsleben neu zu orientieren: 1992 verließ er die Lok, um sich als Personalrat freistellen zu lassen.

Ein Konflikt von ganz besonderer Bedeutung

Später war Weselsky Bezirksleiter der GDL für Berlin-Sachsen-Brandenburg. Stellvertretender Bundesvorsitzender ist er seit 2006, und weil er im Mai nächsten Jahres Nachfolger von Manfred Schell werden will, hat dieser Konflikt für ihn ganz besondere Bedeutung: Für Schell mag der eigenständige Lokführer-Tarifvertrag das Vermächtnis sein. Für Weselsky wird die Sache darüber entscheiden, wie es in seinem Gewerkschaftsleben weitergeht.

Den Signalen aus der Bahn, an diesem Montag werde es ein Angebot geben, traut er nicht, solange er es nicht kennt. Vielleicht steht da wirklich substantiell Neues drin, vielleicht aber auch nur Wortkosmetik, "und wir fallen vor Lachen tot um", wie Weselsky sagt. "Und dann geht's weiter."

Sprachlich mag dies nicht ganz logisch sein, inhaltlich schon. Wird die GDL jetzt noch nachgeben? Ihr Vize sagt, dies sei ausgeschlossen: "Wir würden anschließend doch abgewickelt werden."

© SZ vom 15.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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