Manfred Schell ist offensichtlich sauer. Sauer auf Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, sauer auf den kompletten Bahnvorstand, und wenn er das als Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) könnte, er würde dem ganzen Konzern gerne mal so richtig die Meinung sagen.
Die Schlaufe seines schwarzen Herrenhandtäschchens stramm um das rechte Handgelenk geschnürt, stampft Schell fünf Minuten zu früh zur Pressekonferenz im Berliner Forum des Deutschen Beamtenbundes. Seine beiden Stellvertreter folgen mit grimmigen Mienen.
Die GDL hat hier zwei große Räume für die Pressekonferenz zusammenlegen lassen, das Atrium IV und V. Es sind mehrere Dutzend Journalisten gekommen, um den nächsten Akt im Drama um den Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL mitzubekommen. Dennoch wirkt der Raum viel zu groß. Nicht mal ein Drittel ist gefüllt.
Großer Raum für viel Wut
Aber wohl nur in einem Raum dieser Größe hat die Wut Platz, die Manfred Schell mühsam zu unterdrücken versucht. Es ist eine Wut, die Sätze hervorbringen wird wie: "Ich weiß immer noch nicht, ob der Bahn-Vorstand weiß, was ein eigenständiger Tarifvertrag ist." Oder: "Ich habe den Eindruck, Herr Mehdorn verwechselt manchmal Schubkarren mit Lokomotiven." Oder: Der Bahnvorstand tue so, als sei ein eigenständiger Tarifvertrag "schlimmer als eine Atombombe".
Dabei muss Schell an diesem Nachmittag ein Kunststück vollbringen: Er muss das Bahn-Angebot, das aus seiner Sicht keines ist, so drehen, dass er dennoch Verhandlungsbereitschaft signalisieren und zugleich den Vorschlag als unannehmbar hinstellen kann.
Entgegen allen Absprachen hatte Bahn-Chef Mehdorn am Wochenende die Details seines Vorschlag munter ausgeplaudert. Auf den ersten Blick hört sich das gut an: 13 Prozent mehr Lohn und ein Tarifvertrag, der in weiten Teilen eigenständig mit der GDL verhandelt werden soll.
Schell will aber keinen "weitgehend" eigenständigen Tarifvertrag. Schell will einen eigenständigen Tarifvertrag. Genau das aber begreife der Bahnvorstand offenbar nicht, poltert Schell. Dabei habe selbst dessen "charmanter Hund Karla" inzwischen verstanden, was eigenständig bedeute.
Angebot gleicht Mogelpackung
Und die Sache mit den 13 Prozent mehr Geld: Auch das sei eine "Mogelpackung", sagt Schell mit schneller Stimme. Erreichbar seien die 13 Prozent nur mit Mehrarbeit und Sonderzuschlägen, die es aber dann für alle gäbe, nicht nur für die Lokführer.
Dennoch will er jetzt Tarifverhandlungen aufnehmen. Eine Runde zumindest soll es geben. Im GDL-Vorstand hätten einige Mitglieder zwar lieber sofort wieder gestreikt. Aber Schell weiß um die sensible Stimmung im Land, die noch auf Seiten der Lokführer ist. "Wir wollen uns den Zuspruch der Bürger erhalten. Das geht nur, wenn wir darlegen, dass es so geht und nicht anders", sagt Schell.
Der kommende Montag soll nun zeigen, was geht und was nicht. Offensichtlich glaubt aber auch Schell nicht, dass da irgendwas geht. Darum will er erst mal den Begriff "eigenständiger Tarifvertrag" mit dem Bahn-Vorstand klären. Erst wenn es da Einigkeit gebe, lohne es sich, über Zeit und Geld zu verhandeln, sagt Schell.
Letzteres ist nicht sonderlich wahrscheinlich. Überliefert ist, dass Mehdorn alles daran setzen wird, einen eigenständigen Tarifvertrag mit der GDL zu verhindern. Und dann? "Es mehren sich die Stimmen unter den Mitgliedern, die einen unbefristeten Streik wollen", äußert sich Schell noch zurückhaltend. Der würde dann wahrscheinlich genau in den Weihnachtsreiseverkehr hineinrauschen.
Noch aber glaubt Schell an die Macht der Wunder. "Es dauert noch lange zu, bis wir Pfingsten haben", sagt er. Aber es könne ja sein, dass der Heilige Geist schon vorher über den Vorstand komme. Schell: "Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt."