Gastbeitrag:Mit gutem Beispiel vorangehen

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Die Zentralbanken in aller Welt beschäftigen sich verstärkt mit den Folgen des Klimawandels. Denn der kann große finanzielle Werte vernichten und zu Kreditausfällen führen.

Von Sylvie Goulard und Sabine Mauderer

Spielt der Klimawandel für Zentralbanken eine Rolle? Unbedingt, denn die globale Erderwärmung birgt erhebliche finanzielle Risiken und kann die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden. So kann das verstärkte Auftreten von Extremwetterlagen mit Rekordhitze und Starkregen finanzielle Werte zerstören, indem Landstriche unbewohnbar, Produktionsanlagen unbrauchbar oder Ernten vernichtet werden. Darüber hinaus können gesellschaftliche oder politische Veränderungen - wie die Abkehr von "braunen" Technologien - einzelne Unternehmen oder Branchen aus dem Markt drängen und so finanzielle Verluste hervorrufen.

Der Druck ist groß. Das zeigt der Mitgliederzuwachs des globalen Netzwerks NGFS

Die finanziellen Risiken sind real. Daher beschäftigen sich auch die Zentralbanken verstärkt mit den Folgen des Klimawandels für das Finanzwesen und fördern dessen grünen Wandel. So sind die Bundesbank und die Banque de France Gründungsmitglieder des weltweiten "Network for Greening the Financial System (NGFS)", dessen Ziel es seit 2017 ist, die finanziellen Risiken des Klimawandels zu analysieren und die Einhaltung der Pariser Klimaziele zu unterstützen.

Der Handlungsdruck ist groß. Das zeigt sich auch am starken Mitgliederzuwachs der Organisation. Mittlerweile haben sich 40 Zentralbanken und Bankenaufseher aus fünf Kontinenten unserem Netzwerk angeschlossen, das sind fünfmal so viele wie bei der Gründung. Damit repräsentierten unsere Mitglieder Anfang Juli dieses Jahres 45 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes, drei Viertel der global systemrelevanten Banken und zwei Drittel der global systemrelevanten Versicherer. Und wir wachsen stetig weiter, indem wir neue Mitglieder, Beobachter und Interessengruppen hinzugewinnen. Zudem unterstützen wir den grünen Wandel unserer bestehenden Mitglieder aktiv.

Sabine Mauderer ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank. Der gemeinsame Text der beiden Notenbankerinnen erscheint zeitgleich in der Süddeutschen Zeitung und in der französischen Wirtschaftszeitung Les Échos. (Foto: oh)

Was tun wir konkret? Im April hat unser Green-Finance-Netzwerk eine Reihe von Handlungsempfehlungen vorgelegt. Eine Kernforderung ist es, dass Bankenaufseher Klimarisiken verstärkt ins Visier nehmen und gewährleisten, dass diese angemessen identifiziert und adressiert werden. Der Klimawandel und die Klimapolitik können sich auf vielfältige Weise auf die Bilanzen und Geschäftsmodelle der Geschäftsbanken auswirken. Hat beispielsweise ein Finanzinstitut verstärkt Kredite an Branchen vergeben, welche Klimarisiken ausgesetzt sind, so können klimapolitische Entscheidungen oder technologischer Fortschritt das Risiko erhöhen, dass diese Kredite nicht vollständig zurückgezahlt werden.

Zudem sind alle Zentralbanken gefragt, mit gutem Beispiel voranzugehen und ihr eigenes Portfoliomanagement nachhaltig auszurichten. Die Banque de France hat bereits mit ihrer Charta für verantwortungsbewusstes Investment einen Meilenstein gelegt, und der jüngste Finanzstabilitätsbericht der französischen Notenbank beschäftigt sich ausdrücklich mit Klimarisiken.

Frankreich hat bereits grüne Staatsanleihen ausgegeben, Deutschland denkt darüber nach

Die Bundesbank ist seit dem Jahr 2007 grün unterwegs. Als Vermögensverwalterin für Bund und Länder investiert sie einen höheren einstelligen Milliardenbetrag unter Nachhaltigkeitskriterien. Derzeit prüft die Bundesbank, wie sie zukünftig ihr Eigenportfolio nachhaltig anlegen kann. Eine Strategie für nachhaltiges Investieren ist aber nicht nur ein attraktives Accessoire. Sie wird für immer mehr Zentralbanken integraler Bestandteil ihrer Strategie.

Die Französin Sylvie Goulard ist Vizepräsidentin der Banque de France und war früher Verteidigungsministerin in Paris, davor Europa-Abgeordnete. (Foto: Joel Saget/AFP)

Um den Wissenstransfer zu fördern, wird das NGFS im Oktober einen Leitfaden für Zentralbanken zum nachhaltigen Investieren veröffentlichen. Ergänzend erscheint zeitnah ein Handbuch zum Management von Klima- und Umweltrisiken, das sich an Aufsichtsbehörden und Finanzinstitute richtet. Es ist auch unser Anliegen, verstärkt Zentralbanken in Entwicklungsländern ins Boot zu holen, denn die ärmsten Weltregionen sind von den Folgen des Klimawandels am stärksten betroffen. Vereinzelt besteht das Risiko, dass Staaten die damit einhergehenden finanziellen Lasten künftig nicht mehr stemmen können.

Klimaschutz steht mittlerweile auch in Paris und Berlin weit oben auf der politischen Agenda und ist ein Schwerpunkt in der Zusammenarbeit beider Regierungen. Auch im Bereich Green Finance tut sich etwas. Während Frankreich bereits grüne Staatsanleihen begeben hat, gewinnt die Idee in Deutschland zunehmend an Fahrt. In Anbetracht der Marktdynamik ist es wahrscheinlich, dass eine grüne Bundesanleihe auf rege Nachfrage stoßen wird.

Doch trotz aller Bemühungen ist der weltweite CO₂-Ausstoß im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Deshalb ist es wichtig, dass Zentralbanken nicht nur die Folgen für das Finanzsystem, sondern auch den Einfluss des Klimawandels auf Inflation und Wirtschaftsleistung genauer unter die Lupe nehmen. Dies sind heikle Themen, die den Aufbau einer größeren Expertise erfordern. Klimawandel geht uns alle an. Wir müssen jetzt aktiv werden - im strikten Rahmen unseres Mandats der Preisstabilität - um künftige Risiken zu minimieren.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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