Games-Förderung:"Jetzt muss die Politik liefern"

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Szene aus einem Spiel von Ubisoft. (Foto: Ubisoft/OH)

Benedikt Grindel, Spieleentwickler und Studioleiter bei Ubisoft Blue Byte, ist über die Bundesregierung verärgert. Diese hat Subventionen für die Branche versprochen, doch im nächsten Haushalt ist dafür kein Geld eingeplant.

Interview von Caspar von Au

Den allermeisten Besuchern der Gamescom dürfte egal sein, was Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zu sagen hat, wenn er diesen Dienstag die größte Computerspielmesse der Welt eröffnet. Die deutschen Entwickler werden dagegen ganz genau hinhören. Denn im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, die Spieleproduktion in Deutschland finanziell zu fördern. Im Bundeshaushalt 2019 sind 50 Millionen Euro für die Spieleentwickler vorgesehen. Aber im kommenden Bundeshaushalt sind bisher null Euro für die Games-Förderung eingeplant. Spieleentwickler wie Benedikt Grindel, Studioleiter bei Ubisoft Blue Byte, schlagen Alarm. Die Tochter des französischen Publishers Ubisoft (Assassin's Creed, Anno, Rainbow Six) ist mit 520 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Branche in Deutschland.

SZ: Herr Grindel, 4,4 Milliarden Euro wurden 2018 in Deutschland mit Computerspielen erwirtschaftet, ein Rekord. Dieses Jahr könnten nochmal gut zehn Prozent dazukommen. Trotzdem fordert die Branche Subventionen. Wieso ?

Benedikt Grindel: Games sind in Deutschland ein Erfolgsprodukt, wie weltweit auch. Wir sind einer der größten Märkte. Da ist es sehr bedenklich, dass die Spiele, die in Deutschland entwickelt werden, an diesem Erfolg nicht teilhaben können. Nur 4,3 Prozent der Spiele, die in Deutschland verkauft werden, werden auch hierzulande entwickelt. Bei Blockbuster-Titeln, also den richtig großen Spielen, ist es nur ein Prozent. Die Entwicklungsbranche ist einfach zu klein und arbeitet an zu wenigen großen und erfolgreichen Titeln. Da muss etwas passieren.

Und was?

Ich kann zitieren, was im Koalitionsvertrag steht und was auch Angela Merkel vor zwei Jahren auf der Gamescom gesagt hat: Wir wollen ein Level-playing-field (gleiche Wettbewerbsbedingungen, Anm. d. Red.) schaffen mit Frankreich, Polen, England und Kanada, wo andere Bedingungen herrschen für die Branche. Diese Staaten haben vor vielen Jahren erkannt: Das ist eine Zukunftsbranche, da müssen wir die Rahmenbedingungen entsprechend anpassen. Im Bereich der Produktionsförderung hinken wir hinterher. Deutschland bietet im Vergleich mit anderen Standorten nicht wenig, sondern im Prinzip nichts. Es gab klare Versprechen, Erwartungen wurden geschürt. Jetzt muss die Politik liefern.

Wer würde davon profitieren?

Auf Bundesebene im gleichen Maße alle Firmen - große, mittlere, kleine. Es ist wichtig, dass wir das gesamte Ökosystem deutlich vergrößern und ergänzen. Wie schon gesagt haben wir das deutlichste Defizit bei den großen Spielen. Das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass es mehr große Studios gibt, damit mehr große Titel aus Deutschland kommen. Gleichzeitig dürfen wir natürlich nicht damit aufhören, Start-ups zu fördern. Aber für kleine Studios gibt es bereits Fördermöglichkeiten.

Nun ist Ubisoft ein äußerst erfolgreiches Unternehmen und hat 2018 rund zwei Milliarden Euro Umsatz gemacht. Warum sollte so ein Konzern staatlich subventioniert werden und investiert nicht aus eigener Kraft in deutsche Standorte, wie die Tochter Blue Byte?

Genau das tun wir. Wir sind im letzten Jahr um mehr als hundert Mitarbeiter gewachsen. Wir haben das Studio in Berlin eröffnet. Wir sind voller Überzeugung hier. Aber das könnte schneller gehen. Wir müssen mehr Arbeitsplätze schaffen als in anderen Ländern, um den Rückstand aufzuholen. Mit der Förderung sehen wir ein Potenzial von 1000 Mitarbeitern und mehr bis 2023. Das wären zukunftssichere Jobs im Bereich Programmieren, Grafik und Design. Das soll in Deutschland stattfinden.

Aber sind dann 50 Millionen Euro pro Jahr nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Nein, die sind ein sehr guter erster Schritt. Aber ich weiß, dass eine sehr hohe Nachfrage besteht und dass die 50 Millionen Euro sicherlich gut abgefragt werden. Deshalb muss das in den nächsten Jahren weiter anwachsen.

Wie sähe eine nachhaltige Förderung aus?

Sie muss einfach und verlässlich sein. Best practice im Bereich der Förderung ist international das sogenannte "tax credit model". Das heißt, die Steuer verringert sich durch den Fördersatz. In Deutschland ist das schwierig. Das aktuell diskutierte Modell geht deshalb in Richtung Games-Fonds. Das ist etwas komplizierter. Große Spiele entwickelt man nicht in einem Jahr, den Bundeshaushalt gibt es aber nur für ein Jahr. Wir machen kein Projektgeschäft, sondern bauen langfristige Strukturen auf. Der Erfolg eines Studios liegt in der Qualität der Teams, die es über viele Jahre aufgebaut hat. Deswegen brauchen wir eine verlässliche Förderung über Jahre hinweg. Dass die Games-Förderung im aktuellen Haushaltsentwurf 2020 noch nicht drinsteht, ist ein fatales Signal.

In den beiden Kernländern Ubisofts, in Frankreich und in Kanada, gibt es schon lange eine Produktionsförderung für Computerspiele. Was hat sie dort bewirkt?

In beiden Ländern wird regelmäßig überprüft, wie nachhaltig die Subventionen sind. Dabei hat sich eindeutig herausgestellt, dass für jeden Euro, der investiert wird, das Vielfache zurückkommt. In Kanada wurde in den späten Neunzigern mit der Förderung begonnen. Heute ist Montreal das Hollywood für Computerspiele. Auch in Frankreich spricht die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze, Studioneugründen und dort entwickelten Spiele für sich. Wir haben in beiden Ländern wirklich eine Games-Kultur.

Und in Deutschland fehlt eine Games-Kultur?

Wir sind jedenfalls noch nicht so weit wie andere Länder, aber wir sind auf einem guten Weg. Spiele werden als Kulturgüter anerkannt und auch im Bereich der Wirtschaft und der Digitalisierung positiv wahrgenommen. Trotzdem sieht man an vielen Diskussionen - zum Beispiel, ob E-Sport als Sportart anerkannt werden sollte oder nicht -, dass es noch viel zu tun gibt.

© SZ vom 20.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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