Games Convention:Spielend lernen

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Wie neue Bildungsspiele Spaß und Wissen verbinden und wie sie im Kampf gegen Krebs helfen können, erklärt der erste Juniorprofessor für Computerspiele Deutschlands.

Maic Masuch

Es klingt verlockend: Eine ganze Generation Jugendlicher verbringt den Großteil der Freizeit mit Computerspielen. Warum nicht einfach diese Spiele mit Lerninhalten versehen, um Kindern und Jugendlichen so nebenbei noch etwas beizubringen? Entwickler sind fasziniert von den Möglichkeiten, Computerspiele zu Lernzwecken einzusetzen. Dennoch scheint es nicht einfach zu sein, Lernen und Spaß zu verbinden.

Kochen, Sprachen lernen, ein besseres Verständnis von Krankheiten: Bildungsspiele eröffnen neue Möglichkeiten. (Foto: Foto: Getty)

Wachstum ohne Grenzen: Auch in diesem Jahr meldet anlässlich der 7. Games Convention der Branchenverband Bitkom wieder üppige Gewinne und zweistellige Wachstumsraten. Weltweit, so schätzt man, werden mit Computerspielen etwa 40 Milliarden US-Dollar allein mit Software umgesetzt. "World of Warcraft", der Platzhirsch unter den Online-Spielen, wird laut Eigenauskunft des Herstellers Blizzard von mehr als elf Millionen Spielern genutzt. Leipzig hat als innovatives Pflaster die Messe aufgebaut, bietet aber einigen ehrgeizigen Planern zu wenig Raum für Wachstum, so dass der Branchenzirkus im kommenden Jahr nach Köln umzieht.

Von solchen Zahlen können Entwickler digitaler Lernspiele nur träumen. Auf der Games Convention bleiben die Lernspiele ein klägliches Nischenprodukt. Bei einem durchschnittlichen Etat von einigen 100000 Euro, was etwa einem Hundertstel der Entwicklung eines aktuellen Top-Titels entspricht, darf man sich natürlich über weniger Spielspaß und Spieltiefe nicht wundern. Insbesondere in Deutschland, wo infolge einer "Geiz-ist-geil"-Mentalität Bildung immer noch vornehmlich als Kostenfaktor statt als Investition gesehen wird, bleibt gerade bei den Lernspielen die Qualität auf der Strecke. Diese werden hierzulande auch nicht von der breiten Masse gekauft, sondern von wohlmeinenden Eltern, die ihren Sprösslingen zum Fest des Friedens nicht auch noch hochgradig gewalthaltige Spiele unter den Weihnachtsbaum legen wollen. Wo die Spiele dann zumeist auch liegenblieben und der Nachwuchs lieber doch den frisch aus dem Netz gesaugten indizierten Shooter zockt.

Heilende Kräfte

Nun aber ist einer der Branchenriesen, Nintendo, in den Markt der "ernsthaften Computerspiele" eingestiegen und feiert mit "Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging" und einer Reihe ähnlicher edukativer und informativer Titel sensationelle Erfolge. Eine klare Richtungsentscheidung des Konzerns, aus dem ruinösen Rennen zwischen Microsoft und Sony um die leistungsfähigste Spielekonsole auszusteigen und statt der Hardcore-Gamer den Gelegenheitsspieler mitsamt der ganzen Familie zu umwerben. Die Strategie wird so konsequent verfolgt, so dass Nintendo sogar der Games Convention 2008 zur Verwunderung aller fernbleibt, um die Marketingbudgets in zielgruppenaffineren Events einzusetzen.

Techniken aus Computerspielen für andere Zwecke als die reine Unterhaltung zu nutzen, beflügelt Anwender und Forscher aus aller Welt. War das kostenlos verteilte "America's Army" noch ein ganz konventionelles Actionspiel, welches im Wesentlichen als erfolgreichste Rekrutierungsmaßnahme der US-Army seit ihrem Bestehen gilt, so versuchen vielerorts Entwickler, Lernen mit Spielspaß zu verbinden. Nicht alle haben hierbei ein Millionen-Budget wie "Re-Mission", ein Spiel für krebskranke Kinder. Hierin wird versucht, mit den Stilmitteln eines Actionspiels die Spieler über Krebsarten und die Wirkung von Therapien zu informieren. Studien belegen die Wirksamkeit des Spiels, wonach die kleinen Patienten ein besseres Verständnis ihrer Krankheit und eine höhere Heilungsrate aufweisen.

Was und wie man mit Computerspielen lernt, wird in der Forschung aktuell heiß diskutiert. Dass man auf diese Weise lernt, ist unumstritten, denn jedes Spiel vermittelt seinem Nutzer die impliziten Mechaniken und die Bedeutung von Spielbestandteilen. Zu lernen, wie das Spiel funktioniert, ist letztendlich notwendig, um zu gewinnen. Hier haben moderne Computerspiele, ohne sich um irgendwelche Bildungstheorien zu kümmern, ein ganzes Arsenal pädagogisch hochwirksamer Methoden entwickelt. Leider lässt sich in der Regel Wissen um die Magie einer Fantasywelt kaum für den Alltag gebrauchen. Lerninhalte, die für die reale Welt relevant sind, mit Spaß zu versehen, ist durchaus um ein Vielfaches schwieriger als in einer frei erfundenen Welt und so müssen bei vielen Projekten zunächst die überzogenen Erwartungen zurückgeschraubt werden.

"Wie lernt der Mensch?"

Auch die besten "Serious Games" werden das herkömmliche Lernen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können. Viele erfolgreiche Projekte aber stimmen zuversichtlich. Noch gibt es zu wenige wissenschaftliche Studien, welche ein besseres Lernen mit solchen Spielen belegen, aber wahrscheinlich gelingt das Lernen mit gut gemachten spielerischen Umgebungen anders und zum Teil auch tatsächlich besser.

Man kann beim Lernen im Wesentlichen zwei Bereiche unterscheiden: Trainingsspiele, die dem Nutzer in einer virtuellen Umgebung Handlungskompetenz für eine Fertigkeit vermitteln, wie in "Hazmat Hotzone", einer Trainingssimulation für die New Yorker Feuerwehr. Hier werden Rettungsteams in Kommunikation und im Umgang mit Gefahrensituationen geschult, indem sie ein Multiplayerspiel bedienen. Und es gibt Spiele zur (Weiter-)Bildung, bei denen es in erster Linie darum geht, Fakten zu lernen und Prozesse zu verstehen. Dies kann man auch zur Propaganda benutzen, wie in "McVideoGame", einer sarkastischen Wirtschaftsimulation, in der man möglichst viel Gewinn durch unethisches Verhalten als Manager einer Fastfood-Kette machen soll.

So haben Entwicklerstudios viele kreative Abnehmer in anderen Anwendungsbereichen gefunden - Unternehmensplanspiele, Publicityspiele für Nicht-Regierungsorganisationen, Fitnessspiele und natürlich Militärsimulationen. In Deutschland entstehen viele der innovativen "Serious Games" in der Zusammenarbeit von Anwendern mit Hochschulen, da sind die Ambitionen groß und die Mittel knapp. Obwohl einige Forschungseinrichtungen mit derartigen Projekten versuchen, Antworten auf so fundamentale Fragen wie "Was bedeutet Spaß?" oder "Wie lernt der Mensch?" zu finden und häufig ein hehres Ziel verfolgen, sind Forschungsmittel rar. Anders als in Amerika, wo Entertainment schon immer als ein legitimes Geschäftsfeld galt, sind hierzulande Forschungen zu Computerspielen immer noch suspekt. Doch nicht mehr lange, denn viele jung berufene Professoren sind selbst Spieler.

Maic Masuch wurde in Magdeburg zum ersten Juniorprofessor Deutschlands für Computerspiele berufen. Inzwischen ist er an der FH Trier Inhaber einer Professur für Digitale Lernspiele.

© SZ vom 21.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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