Games Convention:Neue Spieler braucht das Land

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Tanzmatten, Musikinstrumente oder Jogging-Geräte sollen der Spieleindustrie zum Umsatzplus verhelfen. Doch neue Ideen fehlen - und bei den Profis ist der Markt abgegrast.

T. Riedl

Niemand rockt besser als Chris Chike, ein 17-Jähriger aus Rochester im US-Bundesstaat Minnesota. Die Fans bejubeln seine Musikclips auf der Seite des Filmportals Youtube.com. "Du spielst wie ein Gott", lauten die Kommentare dort, oder: "Willst du mich heiraten?" Die Groupies allerdings sind nicht verrückt nach einer Reinkarnation von Elvis Presley oder John Lennon. Sie lieben Chris, weil er sein Instrument wie kein Zweiter beherrscht: die Luftgitarre. Der Schüler drückt beim Spiel "Guitar Hero" in atemberaubendem Tempo die Tasten auf einer Plastikgitarre, immer im Gleichklang mit den Noten, die eine Videospielkonsole auf dem Fernseher darstellt. So erreicht er eine Höchstpunktzahl nach der nächsten.

Die Nintendo Wii eröffnet neue Spielemöglichkeiten nicht nur für Profis, sondern für Jedermann. (Foto: Foto: dpa)

Das Können von Chris Chike begeistert nicht nur jugendliche Fans im Netz. Das Programm "Guitar Hero" mit der Plastikgitarre bringt die ganze Branche ins Swingen. Tanzmatten, nachgemachte Musikinstrumente oder Zusatzgeräte, mit denen die Kunden vor dem Fernseher im Wohnzimmer joggen oder Yoga machen können, sollen der Spieleindustrie im nahenden Weihnachtsgeschäft zum Umsatzplus verhelfen. Weil neue Ideen fehlen. Auf der Games Convention, der europaweit größten Messe der Industrie, werden von Donnerstag an alle Trendprodukte zu sehen sein. Besondere Hoffnungen macht sich die Branche durch Spiele wie "Guitar Hero", die nicht Profizocker ansprechen, sondern jeden vor Computer oder TV locken sollen.

Schnelle Partie für alle

Am Anfang war das Telespiel. In den 70er Jahren lockten die ersten Simulationen von Tischtennis die Spieler vor den Fernseher: Ein Strich am linken Rand des TV, einer am rechten, dazwischen ein viereckiges Etwas. Der Ball. Gesteuert wurde über zwei Controller mit Drehrad. In den 80er Jahren zog mit Computern wie dem Commodore C64 oder dem Amiga die Spielleidenschaft auch ins Arbeitszimmer ein. In den 90ern nahm das Geschäft mit Videospielkonsolen à la Sony Playstation an Fahrt auf.

Doch bislang verlangten alle Geräte vor allem eines von ihren Nutzern: viel Muße, um sich auf die Spiele einzulassen. Mit Zusatzgeräten wie der Spielzeuggitarre bei "Guitar Hero" soll das nun ein Ende haben. Jeder kann sich damit schnell für eine Partie erwärmen, so hofft die Branche, und rechnet bis Jahresende mit einem hohen Umsatzplus.

"Der Spielemarkt ist längst keine Nische mehr", sagt Achim Berg, Vizepräsident beim Branchenverband Bitkom und zugleich Chef von Microsoft, dem Hersteller der Spielekonsole Xbox 360. Der Bereich sei schon jetzt vergleichbar mit Musik- und Filmwirtschaft. "Mit einem Unterschied: Der Spielebereich wächst weiter rasant." Im ersten Halbjahr haben Hardwarehersteller wie Microsoft, Nintendo oder Sony sowie Softwarehäuser wie Electronic Arts oder Activision Blizzard in Deutschland eine Milliarde Euro erlöst, schätzen die Experten von Bitkom. Im Gesamtjahr soll der Umsatz 2,3 Milliarden Euro ausmachen, ein Plus von 13 Prozent.

Ansturm der Jugendlichen

250 Welt-, Europa- und Deutschlandpremieren wollen die 500 Aussteller den Besuchern auf der siebten Games Convention zeigen. Doch schon ein kurzer Blick auf die Neuheiten zeigt das Dilemma der Branche: "Far Cry 2", "Street Fighter IV", "Diablo III", "FIFA 09". Der Branche mangelt es an neuen Ideen, sie sucht ihr Heil in Fortsetzungen. Und das in einer Zeit, in der die Zuwächse aus dem Verkauf von Konsolen abflachen. Die neuesten Videospielgeräte Xbox 360 von Microsoft, Playstation 3 von Sony und Wii von Nintendo sind jetzt seit mehr als zwei Jahren auf dem Markt. Der Absatz der Geräte wird dieses Jahr in Deutschland nur noch um knapp fünf Prozent auf 4,3 Millionen Stück steigen - nach mehr als 40 Prozent im Jahr zuvor. Ohne neue Zielgruppen wäre große Trübsal in der Branche angesagt.

Bis Sonntag rechnet die Leipziger Messe mit 200.000 Besuchern zur letzten Games Convention auf dem historischen Messegelände im Osten. Vor allem Jugendliche werden in Scharen erwartet, um die neuesten Spiele live zu testen. Im nächsten Jahr zieht der Trek der Spieleindustrie dann nach Köln. Unter dem Namen Games Com findet die Messe dort im Ausstellungsgelände am Rhein statt. Die Branche rechnet am neuen Ort mit mehr Neugier von Besuchern, die nicht gewohnheitsmäßig spielen. "Der Standort wird mehr Casual-Spieler anziehen", erklärt Olaf Coenen, Deutschlandchef von Electronic Arts, dem weltweit zweitgrößten Spieleverleger. Veranstaltungen in der Innenstadt könnten dann ein noch größeres Publikum für das Thema interessieren, so die Hoffnung.

© SZ vom 20.08.2008/gut - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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